Lenke meine Fuesse Herr
Löcher haben, also in einem Kaufhaus am Ortsende neue gekauft: Löcher in den Socken sind zu blasenträchtig. Vorher aber noch Inge in die Kirche geschleppt — sie ist begeistert von der Kapelle St. Martin, vor allem aber von der Kirche selbst — mit Jakobsaltar! Mir wird es immer selbstverständlicher, von meinem Glauben zu sprechen. Die Hemmnisse, mich frei als Christ zu bezeichnen, vom Walten Gottes zu sprechen, werden immer geringer.
Die Strecke in der Ebene nach Brunnen zieht sich endlos und ich bringe Inge das Dauerlied vom Ele-Zwele-Trelefanten bei — das hilft über die erste halbe Stunde hinweg. In Brunnen (zwischendurch hatten wir uns kurz verlaufen, da wir nicht glauben konnten, dass der Wanderweg über einen Drahtzaun führt) eine Schar Enten im Bach, sogar mit Küken — doch dann sehen wir, das sind Plastikenten, naturgetreu und im Bachbett verankert! Aber gleich daneben zwischen Bach und Straße ein echtes Schwanennest: Ein Küken versucht mühsam, die steile Böschung zu seinen Eltern hochzuklettern...
Am Hafen gibt’s eine Batterie für meine Uhr — ich zahle 20 Franken: Viel mehr hat die ganze Uhr damals nicht gekostet.
Wir hatten eigentlich vor, mit dem Schiff nach Buochs zu fahren, doch da hätten wir zwei Stunden warten müssen. So fahren wir nur bis Beckenried, dahin geht das Boot schon um halb drei, und laufen morgen von dort aus weiter. Wir trinken einen Kaffee und holen meine Uhr ab — die Verkäuferin ist sehr nett und freundlich und schenkt dem Pilger händeweise Bonbons.
Dann geht’s an Bord — wir sparen uns so mindestens 12 Kilometer Fußmarsch und an die hundert Höhenmeter auf und ab. An der Anlegestelle von Traub fällt uns das alte Fluchthaus auf (Freistätte für Flüchtlinge) und die Zahnradbahn. In Beckenried wurde das Tourismusbüro mit Quartiernachweis fünf Minuten vor Ankunft des Schiffs geschlossen. So fragen wir zwei Einheimische und die schicken uns Richtung Buochs die Uferstraße entlang. Das „Hotel Rigi“ ist eine Bruchbude, dann finden wir die „Pension Seeblick“. Auch hier müssen wir auf die Chefin warten, vielleicht eine Viertelstunde, doch die ist dann sehr nett und wir bekommen zwei schöne Zimmer. Die Wirtin steckt unsere Wäsche in die Maschine und den Trockner, Inge trocknet allerdings ihre Techno-Hose in der Sonne, und ich lerne, dass die Funktionswäsche nicht trocknergeeignet ist — merken! Ich gehe die paar Schritte rüber zur Wallfahrtskapelle Unsere Liebe Frau zu Ritli — herrlich mit einer ganz besonderen Atmosphäre — und lasse den Ort lange auf mich einwirken.
Zum Abendessen gehen wir runter ins Hotel Sternen. Hervorragender Felchen auf Nudeln (das Billigste!). Auf dem Rückweg bleiben wir an einer Kneipe hängen — die Männer laden uns auf Wein und „verstärkten“ Kaffee ein — spaßig! Ich verspreche hoch und heilig, aus Santiago zu schreiben und notiere die Adresse eines der Schweizer. In der Pension unterhalte ich mich noch ein bisschen mit der Wirtin, schreibe Tagebuch und bin um halb elf im Bett.
Samstag, 14. Mai 2005
Beckenried – Flueli-Ranft 19 km
Um halb sieben gibt’s Frühstück; die Wirtin schenkt mir eine Jakobsmuschel aus der Sammlung ihrer Tochter. Die wird an meinen Hut kommen! Noch einmal in die Kapelle Unserer Lieben Frau von Ritli, Fotos machen. Wir wollen über Buochs nach Stans, doch dann verwechseln wir aus der Ferne ein Velo-Schild mit dem Jakobswegweiser, kürzen über eine Wiese ab und laufen fast eine ganze Stunde verkehrt. Als wir eine einsame Fußgängerin fragen, bringt die uns netterweise die vier Kilometer bis zur Heinrichskirche in Stans. Die Statue von der Eitelkeit und dem Mädchen beeindruckt mich, auch die Kirche selbst ist sehenswert, wenn auch nicht so prächtig wie Einsiedeln und auch nicht so stimmungsvoll wie manche der kleinen Dorfkirchen.
Wir kaufen auf dem Markt ein und dann setzen wir uns auf eine Bank und schmausen. Da kommt ein schwer bepacktes weibliches Wesen vorbei, Inge und ich sagen fast aus einem Mund: „Da ist jemand auf dem Jakobsweg!“ Denise kommt aus dem Raum Zürich, wird im Juni den spanischen Camino gehen und übt auf den Schweizer Strecken vor. Auch ihr Tagesziel ist Flüeli und so schließen wir uns zusammen. Denise ist halbe Italienerin und ein „herziges“ Mädchen. Zwei Tage werden wir zusammen gehen, bis auf den Brüning.
Es fängt an zu regnen. Wir kommen zur St. Jakobskirche in Ennettmoos; dort brennt auf dem Friedhof ein Feuer: Pfingsten wird
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