Lenke meine Fuesse Herr
Firmung sein, bis dann wird das Feuer unterhalten und die Familien der Firmlinge lösen sich bei der Feuerwache ab. Man nötigt uns zum Sitzen, macht uns Kaffee — die Kirche ist wunderschön, stelle ich fest — man fragt uns nach Woher und Wohin, nach unseren Motiven. Mich berührt die Herzlichkeit und Gastfreundschaft, mit der diese Menschen uns Wildfremde aufnehmen. Es fällt schwer, sich loszureißen, doch wir müssen und wollen weiter.
Den Tag „hat die Katz’ g’fress’n“! Wir schleppen uns durch Regenschauer „von Gotteshaus zu Gotteshaus“. Die Barockkirchen haben wir langsam über, doch die kleinen Kapellen haben immer wieder eine besondere Atmosphäre. Es geht bergauf und bergab — wir werden immer langsamer, vor allem Inge wird zusehends müder. Gehen Denise und ich in eine Kapelle, läuft sie lieber weiter — sie will ihren Schritt halten.
Oben am Berg zwischen Hausen und Niklausen eine „SB-Pilgerraststätte“. Es gibt Schokolade, Kaffee, Milch, Wasser — und ein Dach überm Kopf! Zahlen soll man, was man will — gäbe es feste Preise, bräuchten die Bauern eine Schanklizenz und „die kostet!“, erklärt uns der Altbauer (mit filmreifem Rauschebart!). Ich schreibe ein kleines Gedichtchen ins Gästebuch und als wir unseren Obolus entrichten wollen, hat Denise das schon erledigt.
Endlich: St. Niklausen. Eine herrliche Kapelle, ein Ort zum Beten. Und dann geht es steil abwärts in die Ranft: ein schmaler, tiefer Tobel, in dem Bruder Klaus seine Einsiedelei hatte. Ein heiliger Ort! Wir hatten vorher im Wanderführer über Klaus von der Flüe gelesen, der als Familienvater mit 10 Kindern plötzlich alles liegen und stehen ließ und Eremit wurde. Und wir haben kräftig gelästert, dass das noch Zeiten waren, in denen ein Familienflüchtling heilig gesprochen wurde. Doch an diesem Ort verging uns das Lästern.
Jetzt müssen wir uns aus der Ranft hinaufquälen nach Flüeli. Ich glaube, für die 500 Meter Steigung und Treppe brauchen wir eine geschlagene halbe Stunde. Wir wollen in die Jugendunterkunft „Bruder Klaus“ und finden sie nach einigem Suchen. Der Heimleiter ist nicht da, nur eine Familie, die hier Pfingsten verbringt. Ansonsten ist das Haus geschlossen. Und jetzt haben wir — vor allem ich — die Nase gestrichen voll! Inge und ich sind seit zwölf Stunden unterwegs, haben uns dreimal verlaufen, haben seit dem Frühstück kaum gegessen. Während Denise auf Schwyzerdütsch verhandelt, erkläre ich kategorisch, dass ich heute meinen Rucksack nicht mehr aufsetze! Denise bewirkt Wunder: Binnen 10 Minuten ist der Hauswirt da, die „Mädchen“ (45 und 55) kriegen ein Doppelzimmer und ich ein Einzel, die Familie lädt uns zu Spaghetti mit Tomatensoße, Salat und Wein ein — herrlich! Nach einem vergnüglichen Abend sinke ich gegen elf Uhr ins Bett und schlafe traumlos bis halb sechs.
Sonntag, 15. Mai 2000 - Pfingsten
Flüeli-Ranft – Brünig 21 km
Gegen sieben Uhr sind wir marschbereit und gehen rüber in das Luxushotel, um dort unsere Pilgerpässe abstempeln zu lassen. Der Parkplatz steht voller Oldtimer — vom Topolino über Cadillac, Jaguar D-Type und Mark IV bis hin zum Aston Martin DB5! Ich denke an meinen Sangesbruder Karlheinz, den Oldtimerfan, und fotografiere. An der Hotelrezeption spendiert man uns einen Kaffee, wir kaufen Postkarten und kriegen unsere Stempel.
Hinunter nach Sachseln, auf einem steilen Kreuzweg, den die Markierung bald verlässt, um dem „Visionenweg“ zu folgen — sagt mir nichts. Da sprechen mich die bemalten Steine mehr an, die am Wege liegen: Firmlinge? Auf einigen lese ich Namen. Die Kirche in Sachseln ist sehr schön, der Organist spielt sich vor dem Gottesdienst ein, das passt in den Raum und zu dem schlichten, würdigen Grab des Bruders Klaus.
Denise kann nicht an einer offenen Konditorei vorbeigehen. Sie ist Vegetarierin, hat aber einen unüberwindlichen Hang zu Süßem — man sieht es ihr an. Inge und mir spendiert sie Croissants, ich kriege heißes Wasser für meine Teeflasche. Weiter geht’s den See entlang — wir verlassen uns auf den Wanderführer, nachdem wir wieder mal kein Jakobsschild entdecken konnten. Doch in Giswil haben wir die Markierung wieder. Nun ein steiler Anstieg zum Lungener See, ein schöner, schattiger Weg den See entlang. Das Wetter ist pfingstlich — lieblich! In Obsee läuft sogar der Sessellift auf den Berg! Wir rasten auf einer Bank und sehen zwei Pilger mit Jakobsmuscheln an den Rucksäcken und einem
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