Lenke meine Fuesse Herr
einen herrlich schattigen Park mit Picknicktischen — da sind die Spanier hier groß, solche Plätze einzurichten, oft auch noch mit Wasserhähnen. In Frankreich wäre das auch eine gute Idee. Ich breite hier meine Matte aus und schlafe fast zwei Stunden.
Nun geht es über einen verkarsteten Höhenrücken: Jurakalk, Heide, fast wie auf der Alb, aber verbrannt und braun. Oben Reste eines Stacheldrahtzaunes, zwei italienische Radler haben ein Stück Draht abgezwickt und ersetzen damit die verlorene Halteschraube eines der Schutzbleche. Ein herrlicher Ausblick, fast bis nach Burgos, nur gestört von den Telecom-Masten und einem riesigen Steinbruch. Der Weg führt hinab nach Villava mit seiner verfallenen Kirche — die erste Kirchenruine, die ich auf meinem Pilgerweg sehe. Im Ort an der Wasserstelle liegt auf Isomatten und Schlafsack ein Pärchen aus Bremen, total erledigt. Ich überlege gerade, ob ich mich nicht dazulegen soll und heute Nacht hier schlafen, als uns ein vorbeikommender Spanier sagt, das nächste Refugio sei in Cardeñuela, nur zwei Kilometer weiter! Also raffen sich die beiden auf und wir schleppen uns in einer knappen dreiviertel Stunde hin. Schlüssel gibt’s im örtlichen Lebensmittelladen, der ist gleichzeitig die Ortskneipe. Gegenüber an einer Garagenwand die herrliche Karikatur eines Pilgers mit Kofferradio, Sonnenbrille, Handy — leider denke ich nicht daran, sie zu fotografieren. Wir kaufen noch Lebensmittel ein — wir wollen uns unser Abendessen selbst kochen, gehen die paar Dutzend Schritte zurück zum Refugio und stellen fest, dass es da keine Küche gibt! Also teilen wir die Vorräte untereinander auf und geben uns erst einmal der üblichen Abendroutine hin: Bett belegen, duschen, Wäsche waschen.
Mittlerweile füllt sich die Herberge; eine deutsche Frau setzt sich mit einem Stuhl vor die Türe, um zu lesen, wird aber bald etwas nervös: Zwischen ihren Füßen marschiert eine Kolonne riesiger Ameisen! Ich schaue mir den Zug an: an der Spitze ein Pulk, in zwei Fußbreit Abstand rechts und links jeweils einige Tiere zur Flankensicherung. In der Spur dieser Vorhut einen halben Meter dahinter das Gros: etwa drei bis vier Tiere breit, in fast militärischer Disziplin, ohne das übliche Durcheinandergewusel, nach etwa fünf Metern ein dickes Knäuel — und zwei Meter danach endet der Heerzug. Ein Ameisenvolk auf dem Weg in einen neuen Bau?
Die beiden Bremer und ich gehen zum Essen in die Kneipe: reichliches Pilgermenü für 7,50 €, dazu Wein — ganz hervorragend! Die Bremer zieht es in ihre Betten, ich unterhalte mich noch ein bisschen mit einem deutschen Ehepaar und trinke mit drei jungen Dänen noch ein, zwei Bierchen.
Donnerstag, 14. Juli 2005
Cardeñuela – Burgos – Tardajos 26 km
Um sechs Uhr sind die Bremer und ich auf dem Weg, ohne Frühstück oder Kaffee. Ich ziehe den beiden bald davon, durch die stillen schlafenden Orte. Es scheint hier schon das Einzugsgebiet von Burgos zu sein — viele neue Einfamilienhäuser. Unterm Laufen esse ich trockenes Brot und trinke Wasser dazu. Langsam wird es hell und ich gehe meinem Schatten nach. Über die Autobahn, linker Hand scheint der Flugplatz ausgebaut zu werden: Ich erkenne eine große Tiefbaustelle. Als ich bei Villafria die Bahn überquere, überlege ich, ob ich nicht zum Frühstücken in den Ort gehen soll, doch es sieht alles noch recht verschlafen aus — da ist bestimmt noch nichts offen.
Die Bushaltestelle lockt: Ich habe fünf Kilometer entlang der N 120 vor mir — Carmen Rohrbach beschreibt den Weg als schrecklich. Doch ich widerstehe der Versuchung — im Gegensatz zu anderen: Als mich ein Bus überholt, winken mir daraus einige Pilger, die mir bekannt vorkommen, fröhlich zu. Was kommt, ist der typische Weg in eine Großstadt: endlose Gewerbegebiete, wieder mal ein „Club“, eine Kaserne, Tankstellen, Supermärkte vom Media Markt bis zum Möbelhaus. Der Verkehr ist dicht, aber nicht so, dass ich mich irgendwie gefährdet fühlen muss, zumal ich den ganzen Weg in die Stadt auf Gehsteigen gehen kann. Ich komme an eine schöne alte Kirche in einer kleinen Grünanlage. Leider ist sie abgesperrt, doch gegenüber ist eine Bar, in der ich für 3,00 € ein Desayuno bekomme: ein Glas Orangensaft, einen „grande café con leche“ und ein Hörnchen. Hinterm Tresen ein Schild: Stempel für Pilger. Das lasse ich mir nicht entgehen und die Frühstücksgäste bestaunen wortreich meinen Pilgerpass.
Weiter in die Stadt —
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