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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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endlich von der N 120 weg, und da ist die erste große Kirche: San Lesmes, der Schutzheilige von Burgos. Ein wunderbarer gotischer Raum, wohltuende Kühle und Stille. Ich nehme mir Zeit, Gott für den Weg zu danken, den ich gehen durfte, um Kraft und Gesundheit für den Rest des Wegs, und für meine Familie und alle Pilger zu bitten.
    Ich komme auf den Platz vor der Kathedrale. Auf einer Bank das Denkmal eines erschöpften Pilgers — ich lege ihm meinen Rucksack zur Seite und mache ein Bild, dann fotografiert ein japanisches Paar, das vor Lachen fast meine Kamera fallen lässt, uns beide.

    Die Kathedrale ist zum größten Teil Museum. Im Eingangsbereich hat man große Schließfächer aufgebaut, in die die Rucksäcke der Pilger gesteckt werden — voll bepackt kommt keiner da rein — ist auch gut so! Ich bin über eine Stunde durch dieses Wunderwerk von Kirche gewandert, staunend, ungläubig das Sprengwerk der Kuppeln betrachtend (und verbotenerweise fotografierend), überwältigt von der Fülle der Schätze, der Kunst, der Atmosphäre im Hauptschiff, dem Chor und den vielen Seitenkapellen.
    Ich gehe ins Museum und fotografiere dort den „Santiago Matamoro“, den Mauren tötenden Santiago, den man aus der Jakobuskapelle verbannt hat: Man müsse doch Rücksicht auf die Muslime nehmen, die vielleicht diese Kirche besuchen, war die Begründung. Empörend!! Wer bestimmt eigentlich bei uns im „christlichen Abendland“: Die eigene, jahrhundertealte Überlieferung oder eine Handvoll fanatischer Mullahs!? Müssen wir wirklich dem Geschrei jeder Gruppe nachgeben, auch wenn sie noch so gewaltbereit ist? Sollten wir nicht aus der Geschichte gelernt haben, dass Nachgeben immer dazu führt, dass die Schreier immer mehr verlangen? Toleranz bedeutet, den Anderen gelten zu lassen, nicht, die eigenen Werte aufzugeben!
    Ich habe Hunger und Durst, als ich aus der Kathedrale komme, suche etwas im Stadtzentrum herum und lande in einer urigen Kneipe, die Wände gepflastert mit Stierkampfbildern, esse dort sehr gut und trinke neben einem Liter Wasser auch ein Achtel Tinto de la casa. Am Fuße des Denkmals El Cids, des spanischen Nationalhelden aus der Reconquista, kaufe ich mir ein Eis — die Verkäuferin kann es kaum fassen, als ich auf ihre Frage antworte, ich sei von Deutschland hierher gelaufen. Entlang des Río Arlanzón zieht sich ein herrlicher Park, schattig, lebendig, voller Menschen — hier verliebe ich mich endgültig in diese Stadt. Ich komme ans Marientor, steige die Innentreppe hoch zu dem schönen kleinen Museum, kehre noch einmal zurück zur Kathedrale und folge von dort dem markierten Camino. Den Aufstieg zur Burg erspare ich mir in der mittäglichen Hitze — ich habe ja den festen Vorsatz, wiederzukommen! Nach der Brücke über den Fluss lockt der baumbestandene Uferstreifen: Ich breite meine Isomatte aus und schlafe eine Stunde.
    Wieder auf den Weg: Ich wandere am Refugio vorbei, das direkt hinter der Brücke in einem Park liegt, an den ersten Universitätsgebäuden (andere sind auf dem Gelände einer alten Abtei untergebracht) — stilvoll und schön! Ich komme an eine offensichtlich recht „junge“ Kirche, deren Bemalung mich reizt, und freue mich über die schönen modernen Fresken darin. Ich danke Gott noch einmal für all das Wunderbare, das ich heute sehen durfte — dann wird zu einem Trauergottesdienst geläutet, mit entsetzlich blechernem Klang. Warum klingen in Südfrankreich und Spanien die Glocken nur so fürchterlich scheppernd?!
    Inzwischen ist es glutheiß und ich habe wunde Füße in den Sandalen: Die dicke Hornhaut an den Fersen ist aufgerissen, besonders links, so tief, dass es nässt, und das schmerzt bei jedem Schritt. Mein Entschluss: Das nächste Refugio ist meins!
    Jetzt bin ich aus der Stadt draußen. Es geht durch einen schön schattigen Pappelhain, ich komme zum Gelände einer Baufirma, wo ein Arbeiter gerade eine verdreckte Maschine abspritzt. Ich gehe auf ihn zu, die Wasserflasche in der Hand — da öffnet er einen anderen Hahn, lässt endlos Wasser ablaufen und dann habe ich zwei Flaschen voll mit herrlich kühlem Wasser. Mit einem herzlichen „Gracias!“ kehre ich zurück auf den Weg.
    In Villabilla de Burgos ist die Kirche leider zu. Ich weiß eine Herberge hier, aber als ich gerade darauf zumarschiere, kommen mir zwei höchst angeekelte Österreicherinnen entgegen: Bloß nicht da rein! Ein Drecksloch! Laken zerrissen, auf einem Bett Blutflecken, alles schmuddelig! „Wir

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