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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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Ein altes Stadthaus: große Eingangshalle, unter der Treppe Dusche, geradeaus, mit herrlichem Blick über das Tal, der Schlafraum mit acht Doppelstockbetten. Küche ist eine Treppe höher, gegessen wird in der Eingangshalle.
    Wir entschließen uns, zu bleiben, und der Hausbesitzer stellt uns alles gegen einen kleinen Obolus zur Verfügung: „Mi casa es su casa!“
    Wir treffen hier einen jungen Ungarn, Zsolt aus Budapest, und wie ich ihn verstehe, ist er von seiner Heimatstadt hierher gelaufen - das ist noch gut 800 Kilometer weiter als bei mir! Wir gehen gemeinsam einkaufen, kochen und essen zusammen. Die anderen sind ratlos, da es keinen Herd gibt, doch ich koche in einer Glasschüssel in der Mikrowelle Nudeln und mache auf die gleiche Weise die Soße warm. Es gibt Pasta mit Wurst-Schinken-Gemüsesoße, dazu Salat, zum Nachtisch Kuchen und für fünf Personen zwei Flaschen Wein, aus denen drei werden. Wir sind aufgekratzt, es geht noch in die Bar, wo ich ein Bier und einen Wodka trinke — doch dann langt es mir. Die anderen bleiben noch, doch die beiden „Alten“, Bodil und ich, gehen zurück in die Herberge. Ab ins Bett! Um viertel vor zehn fallen mir die Augen zu.

Samstag, 16. Juli 2005
Castrojeriz – Frómista 26 km

    Ich habe gestern Abend noch vorgepackt und stehe um halb sechs auf, richte für uns mit dem, was da ist, Frühstück, während die Anderen langsam aus den Betten kommen. Das Frühstück wird gemütlich, nur die ältere Französin, die gestern Abend noch kam, rauscht wort- und grußlos an uns vorüber. Die Mädchen erzählen uns, warum: Sie sind gestern noch etwas länger in der Kneipe geblieben und mussten kurz nach Mitternacht den Hostalero aus dem Bett klopfen — der war etwas unwirsch! Im Schlafsaal wars dann auch nicht ganz leise — Bodil und ich hätten geschnarcht, doch die Französin habe sich aufgeregt. Jaja, die Jugend! Aber ich war in dem Alter nicht anders.
    Um viertel nach sechs machen wir uns auf die Socken — und ich lasse eins meiner Handtücher hängen. Als es mir einfällt, bin ich schon zu weit, um umzukehren. Ich bin wieder mal den anderen davongelaufen, doch am Ortseingang kommt mir eine Schafherde entgegen; bis die vorbei ist, hat mich Bodil eingeholt und wir beschließen, heute zusammen zu bleiben. Es geht hinab ins Tal des Río Odrilla, erst über eine längere moderne Flutbrücke und dann führt eine hübsche alte Steinbrücke über den Fluss. Nun kommt der endlose steile Anstieg auf den Mostelares. Endlich oben am Denkmal angekommen, bietet sich uns ein grandioser Blick! Vor uns liegt die Hochebene — ein kleiner Rastplatz ist da, sogar eine Art Lehrgarten hatte man angelegt, doch der ist vertrocknet und zertrampelt. Schnurgerade weiter, die Sonne brennt — eben Meseta in Reinkultur. Ich finde sie gar nicht so schlimm und eintönig — sie hat ihre Schönheiten: eine mächtige Distel am Weg, das Wogen des Windes, da, wo die Felder nicht abgeerntet sind, weit von Norden grüßt das Kantabrische Gebirge. Hier kann man Stunden gehen, den Geist schweifen lassen, bis er leer wird und offen für das, was der Tag schenken mag.

    Bodil geht nicht übermäßig schnell, doch mir ist das recht. Die Füße, die ich heute verpflastert habe, schmerzen nicht und ich laufe schön beschwerdefrei, ohne mich allzu sehr anzustrengen. Steil hinab ins Tal des Río Pisuerga und dann sind wir schon am Monasterio San Nicholas. Eine vorromanische Kirche, die halb verfallen war, von einem italienischen Laienorden gekauft und zu einem Refugio umgebaut wurde. Der alte Chor ist jetzt Kapelle, das Schiff ist Aufenthaltsraum und auf der Empore wird geschlafen. Ein Ort mit einer ganz besonderen Atmosphäre!
    Bekannte sind da und bitten mich, zu singen, was ich gerne tue, und kaum bin ich fertig, kommt Manuela und wir singen noch einmal, nachdem die deutsche, englische und spanische Version im Pilgerbuch stehen — im gleichen Pilgerbuch, in das sich Papst Johannes Paul II. auf seiner Santiagofahrt eingetragen hat! Als ich aufbreche, fällt mir Manuela um den Hals, weinend: „Dein Lied wird mich mein Leben lang begleiten! Und wenn ich sterbe, singe ich den dritten Vers!“ Schön, aber ich habe ein ungutes Gefühl bei so viel Enthusiasmus.
    Bodil und ich überqueren den Fluss auf einer alten Brücke, der Weg führt ein Stück die Flußauen entlang, wo uns ein neugieriges Rotkehlchen bis auf zwei Schritte herankommen lässt und dann einfach zur Seite hüpft, um uns im gleichen Abstand zu folgen

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