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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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— natürlich! Da fragt sie die Küchenschwester, was noch fehlt, und schickt mich zum Dorfladen: Tomaten und Äpfel werden noch gebraucht, ich kaufe zusätzlich eine Flasche Wein und ein Brot, was mit Begeisterung und herzlichem Dank quittiert wird — das war die 5,00 € schon wert, die ich insgesamt ausgegeben habe! Während drinnen fleißig gekocht wird, versammelt sich alles vor dem Haus: Schwester Carolina singt zur Gitarre, wir singen mit, und dann müssen die einzelnen Nationen etwas zum Besten geben. Italien, Spanien, Deutschland/Österreich, Kanada, Frankreich — alles ist vertreten. Dass es so schwer ist, mit einem Deutschen und einer Österreicherin ein Lied zu finden, das wir alle drei kennen! Schließlich behaupte ich, ein Spottlied auf die Jakobspilger zu singen und bald wird vielsprachig der Kanon gesungen: „Bruder Jakob, schläfst du noch?!“

    Zur Abendandacht nach dem Essen singe ich mein Pilgerlied — einige kannten es schon aus zweiter Hand und hatten mich darum gebeten. Beim Ausgang aus dem schönen Andachtsraum segnet Schwester Carmen, die hier anscheinend die Führung innehat, jeden einzelnen Pilger mit einem Weihwasserkreuz auf der Stirn. Es ist noch hell, einige machen Küchendienst, ich schreibe den spanischen und den deutschen Text des Pilgerlieds in das Herbergsbuch. Gegen halb zehn versammeln wir uns noch einmal auf einem Erdhügel hinter der Herberge und „lassen die Sonne untergehen“. Wunderschön, die Stimmung. Man drängt mich noch einmal, mein Lied zu singen und ich tue es gerne und mit Andacht. Still gehen wir alle ins Bett und ich schlafe tief und sanft.

Dienstag, 19. Juli 2005
Bercianos del Real Camino Ruhetag

    Ich mag nicht aufstehen. Meine Füße schmerzen, ich bin erschöpft und lustlos. Ich beschließe, den Tag langsam angehen zu lassen. Ich unterhalte mich mit Robert: englischer Vater, deutsche Mutter, in Madrid aufgewachsen, lebt in Paris. Und dann bricht es aus mir heraus: „Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende!“ Robert rät mir, einfach mal zu fragen, ob ich vielleicht — gegen die Regeln der Refugios — noch einen Tag bleiben könne, wenn ich wollte. Sicher, heißt es. Ich helfe ein bisschen beim Saubermachen, schreibe Tagebuch — und dann weiß ich, dass ich heute hier bleibe. Ich sage das Carolina — und die Schwestern freuen sich so sehr, heißen mich so herzlich willkommen, dass es mich überwältigt: Ich breche in Tränen aus und finde mich auf dem Fußboden wieder, wo Carolina, Carmen und der Hostalero mich in den Armen halten. Ich brauche lange, bis ich mich wieder fasse.
    Ich bringe meine gestern gekauften Tagesvorräte in die Küche — für die Gemeinschaft — und ernte neben überschwänglichem Dank das große Kompliment: „Du bist ein wahrer Pilger!“
    Ich wasche Wäsche — auch die „guten“ Sachen, die ich nicht zum Laufen, sondern immer nur abends anziehe — schreibe Tagebuch nach und gehe einkaufen für das Mittagessen. Unterdessen laufen zwei Mädchen aus Kassel ein — ich darf sie einweisen und zum Einkaufen schicken. Es kommt noch ein französischer Priester und so sind wir zum Mittagessen gegen zwei Uhr eine ansehnliche Tafel.
    Langsam füllt sich der Schlafsaal: Elisabeth und Birgit, die Französin aus Castrojeriz, „Romeo und Julia“ (ein baumlanger Schwede und eine kleine, schlanke Italienerin, die sich hier auf dem Camino gefunden haben), ein Ehepaar aus Pamplona, Anti, eine Heilpraktikerin aus Brasilien, die in Barcelona wohnt, und noch andere. Der Priester lädt Pilger und Dorfbewohner in die sehr schöne Rochuskirche von Bercianos zur Messe ein: Wir Pilger sollen, oder dürfen, zur Gabenbereitung jeder einen Gegenstand auf den Altar legen, der uns für den Weg wichtig ist und ein paar Worte dazu sagen. Vielsprachige Messe: Der Priester zelebriert auf französisch, die Französin übersetzt ins Spanische und Robert ins Englische, das auch die Deutschen alle verstehen. Die Messe schließt mit meinem Pilgerlied.
    Wie gestern Singen vor dem Haus — auch Kinder aus dem Dorf haben sich eingefunden — Abendandacht, Sonnenuntergang, noch einmal singen. Um elf schlafe ich selig.

Mittwoch, 20. Juli 2005
Bercianos del Real Camino – Mansilla de las Mulas 27 km

    Nach einem stillen Frühstück brechen wir alle gegen halb sechs auf, doch bald bin ich den anderen davongelaufen. Langweiliger Weg die Straße entlang oder auf einem Feldweg. Nach El Burgo rolle ich eine ganze Karawane von hinten auf — wohl die Meisten von denen

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