Lenke meine Fuesse Herr
Pilgerkreuz in Form eines griechischen Tau an meiner Pretiosentasche — ich muss ihnen das alles erklären.
Es geht an der Altstadt vorbei, und als ich an die Brücke über den Río Burbia komme, lande ich mitten in einer großen Karawane, die aus der Innenstadt quillt. Gerade aufgebrochen, bestimmt 50 bis 60 Franzosen aller Altersklassen und beiderlei Geschlechts, mit leichtem Gepäck — das Schwerste scheinen die riesigen Fressbeutel zu sein, die sie mit sich schleifen und aus denen sich einige jetzt schon eifrig bedienen. Ich gebe Gas und überhole ein Trüppchen nach dem anderen, bis ich alle hinter mir habe, wobei schon mal ein Schwätzchen mit einigen drin ist. Immer wieder werde ich gefragt, wo ich herkomme und vor allem die Damen können sich nicht beruhigen über den Weg, der schon hinter mir liegt. Es geht nun kilometerlang auf einem durch Leitplanken abgetrennten, gelb gestrichenen Streifen der alten Nationalstraße in einem engen Tal stetig bergauf, stets begleitet von der neuen Autobahn, teilweise unter den Stelzen, auf denen sie gebaut ist. Das Ganze erinnert mich an den Aufstieg zum Brenner, nur, dass das Tal dort längst nicht so eng und tief eingeschnitten erscheint.
In Pereje setze ich mich vor die Bar und frühstücke ausgiebig, lasse die Karawane wieder vorbeiziehen, und dann kommen sie nacheinander an: Konstanze aus Leipzig, Bodil geht vorbei, Zsolt mit einem italienischen Wandergefährten, Christian, der krummbeinige kleine Deutsche. Wir kommen an einer Raststätte vorbei und da revanchiert sich Konstanze für den Kaffee, den ich ihr mal ausgegeben habe. In Herrerias ist die Kirche ausnahmsweise mal offen — eine Studentin sitzt am Eingang, befragt die Pilger nach dem Woher und Wohin und ihren Motiven und dokumentiert das sorgfältig, vielleicht für eine Seminararbeit? Ich singe vor dem Altar mein Pilgerlied, bevor ich im Ort noch einkaufen gehe. Das Tal wird weiter, verlässt die große Straße, vor La Faba zieht sich der Himmel zu und leichte Spritzer kommen vom Himmel. Das hindert Konstanze und mich nicht, auf dem wunderbaren Rastplatz dort mit Christian zusammen zu picknicken — wir legen zusammen, was wir haben.
Ich gehe von hier aus wieder alleine weiter und steige hoch zum Sagen umwobenen O Cebreiro. Vorher noch ein einsames Haus, in dem ein etwas Deplacierter fernöstliche Tees, Räucherstäbchen, Heilsteine, Schmuck und anderen Krimskrams feilbietet — ich gehe kopfschüttelnd daran vorbei. Oben auf dem Berg führt mein erster Weg in die uralte Kirche, in der das Hostienwunder geschehen sein soll, das mit der Gralssage zusammenhängt. Man mag daran glauben oder nicht — auf jeden Fall ist dies ein Ort, an dem ich einen bestimmten Geist spüre und an dem es mir leicht fällt, konzentriert zu beten.
Ein großes Zeltlager neben dem Kloster ist die Unterkunft einer französischen Gruppe — zum Duschen gehen sie ins Refugio. Ich durchquere den Ort — ein Museumsdorf, keltisch, eigentlich nur Andenkenläden und Restaurants. Das ganze erinnert eher an Asterix’ Gallierdorf als an eine Ortschaft in Spanien. Es geht nach Galizien, und ich muss mich daran gewöhnen, dass das „J“, das die Spanier als „CH“ aussprechen, hier „X“ geschrieben wird.
Am Ortsende eine neue, große Herberge. Eigentlich wollte ich noch einen Ort weiter, aber ich habe keine Lust mehr, als ich daran vorbeikomme. Über 35 Kilometer, und dann der Anstieg — ich lasse es genug sein. An der Rezeption sitzt eine nette Dame, nimmt mich gerade auf, da kommt Bodil vom Duschen und erzählt ihr, woher ich gelaufen komme. Da springt sie auf, ich bekomme eine dicke Umarmung und einen schallenden Kuss, dazu einen Willkommenstrunk Wein aus einem Steinkrug. Und ich kriege ein sehr gutes Bett! Die Herberge ist modern. Gut eingerichtet, mit großer Küche und sogar einem Extraraum zum Wäschewaschen: Becken mit eingebautem Waschbrett — praktisch! Ich erfahre, dass hier die Herbergen massiv von der EU gefördert werden — und deshalb behindertengerecht ausgebaut sein müssen, wobei ich mich frage, wie ein Rollstuhlfahrer diesen Weg schaffen soll...
Abends gehen Konstanze, Christian, Bodil, Zsolt mit seinem Italiener und ich gemeinsam essen und es wird noch recht heiter.
Mittwoch, 27. Juli 2005
O Cebreiro – Samos 40 km
Um halb sechs packe ich im Dunkeln meinen vorgepackten Rucksack fertig und vergesse dabei einen meiner drei Slips — ich hatte ihn gestern gewaschen und draußen zum Trocknen aufgehängt. In
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