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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Zug nach Glasgow. Und dann erfährt jeder, der es wissen will, wo er Sie finden kann.«
     
    Ich ließ sie im Garten zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wilma nicht mehr da war, wenn ich am nächsten Tag wiederkam, war hoch. Aber im Sanatorium konnte ich nicht bleiben. Ich hoffte, dass die Leute, die Wilma dort untergebracht hatten, sie nicht so kurzfristig wegbringen lassen konnten. Vielleicht hatte ich ihr genügend Angst eingejagt, dass sie sich an meine Anweisungen hielt.
    Es stand so ziemlich an unterster Stelle auf meiner Wunschliste, mir in Perth vierundzwanzig Stunden um die Ohren zu schlagen. In Perth verging die Zeit fünfmal langsamer als irgendwo sonst. Mein ältlicher Fahrer setzte mich am Hotel ab, und ich verzehrte im Speisesaal ein grässliches Mittagessen: Lammkotelett, das seine geringe Größe durch Zähigkeit ausglich. Es leistete Messer und Zähnen einen derartigen Widerstand, dass es möglicherweise industrielle Anwendungen dafür gab. Ich hatte das Kotelett halb bewältigt, als ein hochgewachsener, kräftig gebauter junger Mann mit breitem Lächeln und schwer einzuordnender Sprechweise mich fragte, ob er sich zu mir setzen könne.
    »Sicher«, sagte ich. »Nur zu.«
    »Sie sind Kanadier, nicht wahr? Ich merke es an Ihrem Akzent.«
    Ich versuchte, nicht zu müde zu lächeln. »Ja. Bin ich.«
    »Ist mir ein Vergnügen. Mein Name ist Powell, Sam Powell.« Er reichte mir über den Tisch eine gebräunte Hand. Sonnenbräune sah man in Schottland nicht oft. Ich schüttelte die Hand. Powell strahlte eine schier unerschütterliche gute Laune aus. Bei seinem breiten Lächeln entblößte er ein makelloses Gebiss, und er legte die liebenswerte Art eines gut aussehenden, netten Schlacks an den Tag, die mich an Fred MacMurray erinnerte. Den Schauspieler, keinen schottischen Bekannten. Meine Abneigung gegen diesen Laffen war ebenso tief wie spontan. »Ich habe viel Zeit in Kanada verbracht«, sagte er mit einem Enthusiasmus, so unaufhaltsam wie ein entgleister Frachtzug. »Ich bin im Traktorengeschäft. Die Firma, für die ich arbeite, ist englisch-kanadisch. Ich bin beim Verkauf.«
    »Verstehe«, sagte ich. Die Kellnerin kam und nahm seine Bestellung auf. Für das Hauptgericht konnte man nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Ich saß in gehässigem Schweigen da und lächelte, als er das Lammkotelett bestellte.
    »Sind Sie geschäftlich hier, Mister ...?«
    »Lennox«, sagte ich. Ich hatte keinen Grund gesehen, ein Pseudonym zu benutzen, als ich mich im Hotel eintrug. »Ja, ich bin gewissermaßen geschäftlich hier.«
    »In welcher Branche sind Sie tätig, wenn ich fragen darf?« Keine Konversationshürde war so hoch, dass dieser Kerl sie nicht spielend übersprang.
    »Versicherung«, log ich. Das langweiligste Geschäft der Welt legt sich normalerweise jedem Gespräch in den Weg wie eine Eisenbahnschwelle. Doch Fred MacMurrays jüngerer Bruder ließ sich nicht schrecken.
    »Interessant. Auto? Hausrat?«
    »Alles. Ich habe mit Schadensersatzansprüchen zu tun.«
    Die Ankunft seines Koteletts rettete mich. Von nun an herrschte in seinem Mund Vollbeschäftigung.
    Den gelatinösen grauen Brei, der als Nachtisch serviert wurde, ließ ich unangetastet. Ich verabschiedete mich von Powell.
    »Nett, Sie kennengelernt zu haben, Mr. Powell.« Meine Fröhlichkeit war echt. Ich war endlich frei von diesem Menschen! Er stand auf, schüttelte mir die Hand und setzte sein breites, hollywoodtaugliches Lächeln auf. Mein Glücksgefühl war unbeschreiblich, als ich sah, dass zwischen zwei Zähnen ein besonders zäh aussehendes Stück Knorpel klemmte.
    Ich beschloss, mir in der Stadt lieber eine andere Gaststätte zu suchen, um dort etwas zu trinken, als das Risiko einzugehen, Powell in der Hotelbar wiederzubegegnen.
     
    Leider musste ich den Spießrutenlauf von Powells Fröhlichkeit beim Frühstück am nächsten Morgen noch einmal über mich ergehen lassen. Ich gelangte zu der Ansicht, dass die Hotelbesitzerin – eine ernste, freudlose, magere Frau um die fünfzig, vom Temperament der genaue Gegensatz zu Powell – eine Sadistin sein musste, dass sie mich der doppelten Folter ihres Hotelessens und Powells Gesellschaft aussetzte.
    Ich wich seiner Neugierde wieder aus, und nachdem ich mein Zimmer geräumt hatte, stellte ich mich vor das Hotel und rauchte. Wir hatten einen hellen sonnigen Frühlingsmorgen. Ich ließ meinen Mantel zusammen mit meiner Reisetasche im Hotel und vereinbarte, dass ich sie später abholen

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