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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Frau, die ich je kennengelernt hatte. Heute trug sie ein graues Schneiderkostüm, das ihren Körper auf eine Weise umhüllte, dass man auf der Stelle scharf auf sie wurde. Ihr Haar war rabenschwarz und glänzend und hinter dem Kopf zusammengehalten, sodass es einen schlanken Hals entblößte. Sie hatte dunkle Augen und gewölbte Brauen, und ihre vollen Lippen waren tiefrot geschminkt. Sie lächelte mich an, wirkte jedoch ein wenig traurig.
    »Lennox ...«, sagte sie mit einem Akzent, der mehr Englisch als Schottisch war und einen leisen Hauch von Kontinentaleuropa in sich trug. »Ich dachte, ich sehe dich nie wieder.«
    »Die Welt ist klein, Helena. Wie ist es dir ergangen?«
    Mit offener Hand wies sie auf die georgianische Architektur, die uns umgab.
    »Ich meine nicht geschäftlich«, sagte ich. »Ich meine dich. Wie geht es dir?«
    »Mir geht es gut. Aber lass uns ehrlich sein. Wenn dir an meinem Seelenzustand oder meinem Wohlergehen gelegen wäre, hätte ich längst von dir gehört.« Sie runzelte die Stirn. »Tut mir leid, das war unpassend.«
    »Wahrscheinlich passte es schon.« Ich legte den Hut auf den Schreibtisch.
    Helena ließ Eis in teuer aussehende Kristallgläser fallen und schenkte mir, ohne zu fragen, einen Canadian Club ein. Sie selbst nahm sich einen Scotch, und ich wartete, bis sie sich gesetzt und ihre langen, seidenbestrumpften Beine übereinandergeschlagen hatte, ehe ich ihr gegenüber Platz nahm.
    »Ich habe jetzt die britische Staatsbürgerschaft.« Sie nahm die Zigarette, die ich ihr anbot. »Ich bin keine Heimatlose mehr. Auch wenn ich es erst in letzter Sekunde geschafft habe. Die Polizei hatte einen Bericht über mein kleines Geschäft hier vorgelegt, und ich wäre als unerwünschte Ausländerin deportiert worden, doch zum Glück wurde der Bericht irgendwo auf dem langen Dienstweg aufgehalten.«
    Ich lachte spöttisch auf. Helena Gersons besaß großen Einfluss im Edinburgher Establishment. Sie kannte einflussreiche Leute, die in der Stadt den Sittenwächter herauskehrten, um dann in diesen schmucken georgianischen Mauern die Puppen tanzen zu lassen.
    »Also läuft das Geschäft gut?«, erkundigte ich mich.
    »Ganz gut. Um diese Jahreszeit ist es immer ruhiger, es sei denn, ein Schiff legt an. Am turbulentesten geht es während der Festivals zu.« Sie lachte und zeigte dabei makellose porzellanweiße Zähne. »Und natürlich, wenn die Generalversammlung der Kirche von Schottland in der Stadt tagt. Die Mädchen haben es oft nicht leicht, mit so viel frommem Eifer fertigzuwerden.«
    Wir lachten. Wieder bemerkte ich ihren anglisierten Akzent und die perfekte Grammatik, aber nur den allerleisesten Hinweis auf Wien, das sie 1936 verlassen hatte, als sie kaum mehr als ein Kind gewesen war.
    »Denkst du nie daran, zurückzukehren? Nach Österreich, meine ich.«
    »Das war jemand anders«, sagte sie, und nicht zum ersten Mal erschreckte sie mich mit einem Satz, der von mir hätte sein können. Es war schön, Helena wiederzusehen und mit ihr zu sprechen. Vor einigen Jahren hatte es eine Zeit gegeben, da hatten wir viel geredet. Die ganze Nacht hindurch, leise in der Dunkelheit. »Österreich ist ohnehin ein einziges Durcheinander. Niemand weiß, wohin das führt. Gut möglich, dass es als Satellitenstaat der Sowjetunion endet. Wie dem auch sei, Menschen wie ich sind dort eine Peinlichkeit. Eine Erinnerung an vergangene Sünden.« Ihr Blick wurde hart. »Was willst du, Lennox?«
    »Ist es so offensichtlich, dass ich etwas will?«
    »Das war schon immer so.«
    »Bei uns beiden«, sagte ich. »Wir sind vom gleichen Schlag, Helena. Aber du hast trotzdem recht. Zumindest teilweise. Ich dachte, du kennst vielleicht jemanden, den ich überprüfe. Aber das ist nur der eine Grund, weshalb ich hier bin. Der andere ist, ich wollte dich sehen.«
    Sie zog die Brauen hoch. »Ich nehme an, du warst sowieso in der Stadt.«
    »Es geht um ein Mädchen.« Auf ihre zutreffende Vermutung ging ich nicht ein. »Sie hat eine Vorgeschichte als Professionelle. Sie hat einen meiner Klienten unter Druck gesetzt. Ich weiß nur nicht wie.«
    Ich gab ihr das Foto.
    »Wenn er dein Klient ist, warum fragst du ihn dann nicht, auf welche Weise diese Frau ihn unter Druck setzt?«
    »Weil er keine Anrufe mehr entgegennimmt. Nie mehr.«
    »Er ist tot?« Sie schürzte die Lippen und schaute sich das Bild genauer an.
    »Sehr. Ich gehe von einem vorgetäuschten Unfall aus, und das Schätzchen ist darin verwickelt. Sie nennt sich Lillian,

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