Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Titel: Lennox 02 - Lennox Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
blieben. Wenn ich abwarten wollte, bis es vollständig dunkel war, ehe ich mich dem Haus näherte, hätte ich viel Zeit totschlagen müssen; aber solange die Sonne nicht unterging, war ich auf Hundert Meter Entfernung zu sehen. Da blieb genügend Zeit, um eine Party zu beginnen und »Überraschung!« zu brüllen, wenn ich durch die Vordertür kam. Ich wusste nicht, womit ich es zu tun hatte; also war es am besten, sich vorher ungesehen darüber zu informieren.
    Ich folgte dem Weg zurück, kletterte über eine andere Steinmauer und gelangte in einem weiten Bogen seitlich an dem Häuschen vorbei an dessen Hinterseite, wo mir das Gestrüpp Deckung gab. Eine andere Möglichkeit hatte ich nicht; auf einem erhöhten Feld, auf dem ich mich gegen den hellen Himmel abhob, fühlte ich mich ungeschützt. Ich brauchte fünf Minuten, um hinter das Haus zu gelangen. Als ich näherkam, sah ich, dass es ein Abrisshaus war. Die meisten Fensterscheiben hatten Sprünge oder waren zerbrochen, und die Reste waren undurchsichtig vom Schmutz. Der kleine Gemüsegarten, den ich hinter dem Haus vermutet hatte, war hüfthoch überwuchert, und ich musste mir vorsichtig einen Weg hindurch bahnen, indem ich die Pflanzen so leise wie möglich beiseitebog. Als ich die Hintertür erreichte, hörte ich Stimmen aus dem Haus – hier hatte man nicht das Gefühl, flüstern zu müssen. Die Stimmen klangen drängend. Zwei Stimmen. Eine männlich, eine weiblich.
    Ich schob mich an der rauen Steinmauer entlang, erreichte eines der kleinen, schmutzigen Fenster und spähte hinein. Sofort riss ich den Kopf zurück. Claire Skinner saß unmittelbar am Fenster, mit dem Rücken zu mir. Wer der Mann war, mit dem sie sprach, konnte ich nicht erkennen. Dann aber hörte ich Claire genau das sagen, worauf ich gewartet hatte, seit ich ihr gefolgt war.
    Den Namen Sammy.

11.
    Als ich eintrat, erschraken beide. Claire fuhr hoch, und der alte Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, knallte auf den schmierigen Boden. Auch der junge Mann sprang auf.
    Ich hatte mich geirrt, dass kein Licht brannte: Auf einer Kiste, die als Tisch benutzt wurde, stand eine Kerosinlampe, aber ihr Docht war so weit hinuntergeschraubt, dass sie nur trübes Licht abgab. Allerdings genügte der Schimmer, um zu erkennen, dass ich in eine Unterkunft blickte, die man nach einer kräftigen Renovierung durchaus als Bruchbude hätte bezeichnen dürfen. Auf einem niedrigen Feldbett in der Ecke lagen ineinander verdrehte Laken und ein großer Rucksack im Armeestil, und auf einer weiteren Kiste stand ein Primuskocher neben einem halben Dutzend ungeöffneter Konservenbüchsen. In einer anderen Ecke häuften sich leere Dosen und Flaschen. Man musste schon ziemlich große Angst haben, um sich so zu verstecken.
    Den kecken, geschniegelten jungen Burschen mit der teuren Frisur auf dem Foto, das Sheila Gainsborough mir gezeigt hatte, erkannte ich kaum wieder. Sammy Pollocks dunkles Haar hing jetzt schlaff und fettig herunter, und schon mehrere Tage lang hatte kein Rasiermesser sein Kinn berührt. Er sah ungewaschen und müde aus. Andererseits hatte er es hier auch nicht gerade bequem. In seine Müdigkeit spielte jedoch etwas anderes hinein, das sein Gesicht stumpf machte und sich um seine Schultern schlang: die angespannte Erschöpfung eines Mannes auf der Flucht.
    »Hübsch habt ihr’s hier«, sagte ich. »Alles Eigenleistung?«
    Sammy schob eine Hand in die Jackentasche. »Hat Largo Sie geschickt?«
    »Largo?«, fragte ich und lächelte. Ich beugte mich vor und drehte die Flamme der Kerosinlampe hoch. »Ist doch recht, oder? Ich schreibe einen Artikel für Schöner hausen und möchte mir eure Bleibe ein bisschen näher ansehen.« Als ich es tat, wurde mir bewusst, dass wir zu viert im Raum waren: ich, Claire, Sammy und ein drei viertel Meter hoher, sehr grüner, sehr orientalischer Dämon. Oder Drache. Oder Teufel. Was immer er war, er war ein hässlicher Hurensohn, so viel stand fest. Er grinste mich an, und zwischen Jadezähnen schlängelte sich seine lange Zunge hervor. Sammy bemerkte, wie ich die Statue beäugte.
    »Nehmen Sie sie mit«, sagte er. »Sagen Sie Largo, er soll mich in Ruhe lassen. Ich gehe nicht zu den Bullen. Ich mache gar nichts. Nehmen Sie sie einfach mit und hauen Sie ab.«
    »Danke für das Angebot«, sagte ich, »aber das Ding passt nicht zu meinen Vorhängen. Ich bin auch nicht wegen der Zimmerdekoration gekommen, sondern deinetwegen.« Was immer er in der Jacketttasche hatte, er umfasste es

Weitere Kostenlose Bücher