Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
die Augen offen nach dem Kerl, der mich mit vorgehaltener Waffe so unhöflich zum Tanz aufgefordert hatte. Mir kam es zwar nicht so vor, als würde ich beschattet, doch Frank hatte das gleiche Gefühl gehabt, als ich ihm zu seiner Wohnung gefolgt war. Wenn man wusste, was man tat, war es einfach, außer Sichtweite zu bleiben. Und ich hatte den Eindruck, mein heimlicher Verehrer wusste wirklich ganz genau, was er tat.
Ich zahlte ein paar Hundert Pfund von dem Geld, das Fraser mir gegeben hatte, auf mein Geschäftskonto ein, den Rest verstaute ich in meinem Schließfach in der Bank. Mein plötzlicher Reichtum verdutzte mich genauso wie Leonora Brysons plötzliche amouröse, wenn auch möglicherweise mordlustige Leidenschaft. Alles in allem hatte ich nun über achttausend Pfund auf der hohen Kante; mehr als genug, um ein Haus zu kaufen. Um vier Häuser in Glasgow zu kaufen. Ich hatte außerdem keinen Grund mehr, nicht in meine kanadische Heimat zurückzukehren. Ich konnte das Geld auf einer Bank einzahlen und nach Kanada kabeln, ehe das britische Finanzamt auch nur nieste. Trotzdem war ich noch nicht so weit. Im Krieg war etwas mit mir geschehen, und mir gefiel noch immer nicht, was aus mir geworden war. Die Leute zu Hause würden die Rückkehr des Jungen von Kennebecasis erwarten: des idealistischen, helläugigen, begeisterungsfähigen Jungen, der als Offizier in den Dienst des Empires getreten war. Bekommen würde sie mich: den zynischen Nachkriegs-Lennox, den man mieten konnte, damit er verängstigte Schwule verprügelte. Und das war noch einer meiner guten Tage gewesen.
Jock Ferguson hatte für mich in der Pension eine Nachricht hinterlassen, ich möge ihn anrufen, und als ich es tat, eröffnete er mir, er habe Robert McKnight überprüft, Violets Mann, der die Zwillinge chauffiert hatte.
»Er ist Autoverkäufer«, informierte mich Ferguson. »Keine Vorstrafen.«
»Was ist er denn für ein Autoverkäufer?«, fragte ich, als gäbe es sie in verschiedenen Ausführungen. »Verkauft er bombenanschlagerprobte Fahrzeuge oder Bentleys für Gentlemen?«
»Er arbeitet im Autosalon Mitchell and Laird in Cowcaddens. Alles koscher. Sie verkaufen neue oder fast neue Fords; ich weiß aber nicht, ob sie Vertragshändler sind. Sie haben eine große Auswahl an Gebrauchtwagen, und die scheinen gute Qualität zu haben.«
»So, so«, sagte ich und dachte an den Ford Zephyr mit Neuwagencharme, der vor meinem Büro geparkt hatte. »Also ist er sauber?«
»Tja … das ist ganz interessant. Trotz des Namens gehört der Autosalon Mitchell and Laird tatsächlich einer Handelsgesellschaft, deren Aufsichtsratsvorsitzender zufällig ein gewisser William Sneddon ist.«
Und da war er, der Moment, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte: ein König, der mit meiner Untersuchung zu tun hatte. Damit waren es nun zwei, wenn man Michael Hammer Murphy hinzurechnete, der auf der Liste von Bekannten Gentleman Joes stand, welche ich von den Zwillingen erhalten hatte.
»Aber Sie wissen ja, so etwas muss heutzutage überhaupt nichts mehr heißen«, fuhr Ferguson fort. »Willie Sneddon ist nach wie vor ein Gangster, und wir sind noch immer hinter dem Mistkerl her, aber er gibt sich große Mühe, sauber zu bleiben. Er hat genauso viele legale Geschäfte wie schmutzige. Mitchell and Laird gehört zufällig zu den legalen. Und dort arbeitet unser Junge.«
»Ja … ein Junge, der zufällig mit der Tochter eines der legendärsten Verbrecher Glasgows verheiratet ist. Sagen Sie, Jock, hat es je eine Verbindung zwischen Willie Sneddon und Joe Strachan gegeben?«
»Nicht, dass ich wüsste. Sneddon betrat erst später die Bühne. Mit Hammer Murphy sieht es anders aus … ich glaube, er war eine Weile recht dick mit Strachan.«
»Ja … das habe ich gehört«, sagte ich düster. »Danke, Jock.«
***
Archie suchte mich vor dem Mittagessen auf, und ich verstand es als Wink mit dem Zaunpfahl und lud ihn auf ein Bier und eine Pastete ins Horsehead ein. Er leerte das Pintglas innerhalb von Sekunden. Bei jedem Schluck zuckten seine buschigen Augenbrauen, und er wandte sich mir mit einem gequälten Ausdruck im langen Gesicht zu. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich begriff, dass er lächelte.
»Ich bin wie einer von Ihren Mounties, Boss«, sagte er. »Ich krieg meinen Mann immer.«
»Billy Dunbar?«
»Genau den. Ich hab ihn aufgestöbert!« Archie grub in den Taschen seines Regenmantels, zog mehrere Papierfetzen heraus, ein zusammengeknülltes
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