Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
über einer Woche drückte. Nachdem ich mit einem Lakai gesprochen hatte, wurde ich zu Murphy durchgestellt. Die Stimme, die aus dem Hörer kam, hatte einen dicken Glasgower Akzent und war rauer als Karborund.
Das Gespräch war kurz und, sagen wir: prägnant. Ich hätte nicht gedacht, dass sich sprachliche Abwandlungen von »am Arsch lecken« als Antwort auf nahezu jede Frage, Aussage oder Atempause eigneten. Erst als ich Gentleman Joe Strachan erwähnte und hinzufügte, dass ich die Entdeckung seiner Überreste untersuchte, erwachte Murphys Neugier.
»Kennen Sie das Black Cat?«, fragte er.
»Kenne ich.«
»In einer halben Stunde. Wenn Sie zu spät kommen, können Sie mich am Arsch lecken.«
Murphy legte auf, ehe ich eine Möglichkeit hatte, mich zu vergewissern, dass ich zur angegebenen Zeit auch frei war. Okay. Das Black Cat kannte ich gut. Ich war Stammkunde. Ich war Mitglied. Das Black Cat war ein Klub, in den man nur mit einem Mitgliedsausweis oder einem Durchsuchungsbefehl hineinkam.
Ich hatte das Black Cat schon kurz nach meiner Ankunft in Glasgow entdeckt. Der Klub befand sich im Obergeschoss eines wenig reizvollen Sandsteingebäudes am Westende der Sauchiehall Street, jenseits der Kelvingrove Art Gallery, wo die Hausnummern vierstellig waren. Großbritannien war voller Klubs mit Namen, die immer Synonyme von ›Pussy‹ waren, das schlüpfrige Wort selbst aber grundsätzlich vermieden. Das Dekor zeigte die üblichen stümperhaften Versuche von Glamour und Raffinesse, und in der Bar drängten sich korpulente Geschäftsleute, die nervös bangten, der Schuppen könnte jeden Moment von der Polizei gestürmt werden, sodass ihre Namen in den Zeitungen auftauchten. Aber natürlich gab es Gründe, weshalb die Geschäftsleute nicht schreiend um ihr Leben und ihren Ruf rannten: die Hostessen, in nachgeäffte Hollywoodkostüme gesteckt, mit beeindruckenden Dekolletés, die ihren schauderhaften Glasgower Akzent ausgleichen sollten. Das Spiel lief so, dass die Hostessen die Geschäftsleute ermunterten, sich zu entspannen und ihre Nervosität zu mildern, indem sie sich mit überteuerten und zu knapp bemessenen Cocktails betranken. Das Lustige war, dass die Besucher dieser Klubs ihre Brieftaschen mit einer Häufigkeit verloren, die jeder Statistik spottete. Jeder, der einen Diebstahl auch nur andeutete, landete normalerweise mit dem Gesicht voran auf der Straße. Die meisten blieben still und versuchten, sich die beste Antwort auf die besorgte Frage ihrer Frauen einfallen zu lassen, wo sie die Brieftasche denn zuletzt gesehen hätten.
Wahrscheinlich gab es drei oder vier solcher Klubs in Glasgow. Ich hatte keinen Zweifel, dass das Black Cat, genau wie die anderen, ganz anständig angefangen hatte, doch solche Lokale durchliefen einen merkwürdigen Entwicklungsprozess. Die Metamorphose des Black Cats hatte vermutlich damit begonnen, dass man im Klub versehentlich einen Pianisten oder eine Combo oder eine Sängerin auftreten ließ, die besser waren als der übliche Animierschuppenkünstler; das wiederum hatte sich wahrscheinlich herumgesprochen, und es kamen Gäste, die die Musik hören wollten, statt mit irgendwelchen zwielichtigen Hostessen Sprungfedern zu testen. Als der Gewinn stieg, die Polizeirazzien seltener wurden und die Bestechungsgelder sanken, buchte die Geschäftsführung immer mehr und sogar noch bessere Jazzmusiker.
Es gab zwar noch immer Hostessen, doch die begnügten sich damit, Drinks zu servieren, die zwar noch immer teuer waren, aber nicht mehr reine Beutelschneiderei. Was zwischen Hostess und Gast noch so vorging, wurde diskret und auf freiberuflicher Basis ausgetragen. Ich hatte gelegentlich selbst mit der ein oder anderen Tresenbiene angebandelt, aber immer auf streng privater, nicht kommerzieller Grundlage.
Als ich vor der unauffälligen grünen Tür mit der kleinen schwarzen Katze über dem Verpiss-dich-Fenster ankam, wurde ich von einem Türsteher mit meterbreiten Schultern mit einem brüsken Nicken des Wiedererkennens begrüßt. Dass er nickte, empfand ich als beeindruckende Leistung, denn soweit ich es sehen konnte, besaß er keinerlei Hals; sein Kugelkopf mit der Teddy-Boy-Locke war offenbar direkt auf die massigen Schultern geschweißt.
Ich ging nach oben und wurde von blauem Zigarettenrauch eingehüllt. Der Klub war gefüllt mit der üblichen Mischung: ernste Nonkonformisten mit Kinnbärten und Rollkragenpullovern, die versuchten, den Beat-Stil auszuleben, von dem sie in
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