Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
rechten Ellbogen ins Gesicht, fünf- oder sechsmal innerhalb weniger Sekunden. Von seinem Gesicht bekam ich genug zu sehen, um eine alte, hässliche Narbe auf seiner Stirn zu entdecken, und ich erkannte den Kerl, der mich im Nebel überfallen hatte. Nur diesmal gab es kein verbales Vorabgeplänkel.
Seine Nase brach, und sein Gesicht war voller Blut, aber er achtete nicht darauf. Das war jemandem, der in dieser Art Kampf keine Erfahrung besaß, immer am schwierigsten klarzumachen: Ehe man Schmerzen spürt, muss eine ganze Menge geschehen. Schock und eine Gallone Adrenalin blockieren solche Empfindungen, bis alles vorüber ist. Dann erst tritt der Schmerz ein.
Mir war klar, dass ich mich um das Messer kümmern musste. Ich holte mit meinem Yale-Schlüssel, der meine einzige Waffe war, zu einem Schlag gegen sein Handgelenk aus, aber mein Gegner trieb mir das Knie ins Kreuz und drückte mich nach vorn. Er war ein kräftiger Hurensohn, das musste ich ihm lassen, und ich verlor sein Handgelenk aus meinem Griff. Sofort fuhr ich zu ihm herum. Er hielt das Messer niedrig, flache Seite nach oben, wie im Ausbildungshandbuch. Er schlug damit nach mir. Er versuchte nicht, mich zu stechen, wie es ein primitiver Straßenschläger getan hätte. Er war auf rasche Tötung aus: einen Schnitt über meinen Oberschenkel, den Hals oder den Unterarm, um die Oberschenkelarterie, die Halsschlagader oder die Armarterie zu durchtrennen. Dann tritt man einfach zurück und sieht zu, wie der Gegner in Sekundenschnelle verblutet. Steht auch im Ausbildungshandbuch.
Ich rollte mich über meine Schreibtischplatte. Jedes Mal, wenn er mich angriff, bewegte ich mich um den Schreibtisch, hielt das Möbel zwischen mir und ihm, als wären wir Kinder und spielten Fangen. Ich spürte etwas Feuchtes an meiner Hand, und als ich heruntersah, lief Blut aus meiner Manschette, und mein Handrücken war rot. Er hatte mich erwischt, aber an der falschen Armseite. Ich brauchte eine Waffe. Mittlerweile hatte ich den Schreibtisch umkreist, und er stand dahinter, dort, wo ich normalerweise saß. Das Einzige, was ich zu greifen bekam, war der Garderobenständer hinter mir. Ich hielt ihn vor mich und stieß damit zu wie ein römischer Retiarius mit einem Dreizack. Er versuchte, um den Tisch herumzukommen, ich knallte ihm den Standfuß des Garderobenständers ins Gesicht, und meine improvisierte Waffe erzitterte, als sie auf Knochen traf. Eines seiner Augen hatte sich durch einen meiner Ellbogenstöße beinahe geschlossen, und ich merkte, dass seine Sicht beeinträchtigt war. Ich stieß wieder zu, und diesmal schlug ich ihm mit aller Kraft gegen die Brust. Mit einem Bein stieß er rückwärts gegen meinen Kapitänsstuhl, und er stürzte nach hinten ins Fenster und zerbrach das Glas. Ich holte wieder aus und drückte ihn weiter ins Fenster. Mit den Händen hielt er sich auf beiden Seiten am Fensterrahmen fest, damit er nicht hinausstürzte, und ließ dabei das Fairbairn-Sykes-Messer fallen.
Er warf mir einen Blick zu. Den Blick, der sagt: »Ich gebe auf.«
Dennoch hielt ich den Druck auf seiner Brust mit dem Garderobenständer aufrecht.
»Okay«, sagte ich. »Für wen arbeiten Sie?«
»Vergessen Sie es, Lennox. Rufen Sie einfach die Polizei. Bringen wir es hinter uns.« Wie ich versuchte er zu Atem zu kommen, und deshalb verzichtete er auf einen nachgemachten Glasgower Akzent. Er sprach vielmehr wie ein Engländer, schön moduliert, korrekte Aussprache. Ich fragte mich einen Augenblick lang, ob der BBC Home Service eine Commando-Elitesprecher-Einheit unterhielt.
»Was soll das? Nur Name, Rang und Dienstnummer?« Ich stieß wieder zu, und die blutigen Finger seiner rechten Hand rutschten vom Fensterrahmen ab. Er ruderte mit dem Arm durch die Luft, um wieder Halt zu bekommen.
»Okay, Commando Joe, ich frage es nur noch einmal: Wer hat Sie geschickt? Joe Strachan? Wo ist er?«
Er lachte so herzlich, wie er konnte, und blies eine Blutblase aus einem Nasenloch.
»Oder was? Sie töten mich kaltblütig?«
»So was in der Art. Also los: Wo ist Joe Strachan?«
»Sie glauben ernsthaft, dass Sie etwas aus mir herausbekommen? Ich sage Ihnen gar nichts, Lennox, und niemand bringt mich zum Reden.«
»Sie kennen Twinkletoes McBride noch nicht«, erwiderte ich. »Er ist ein Geschäftsfreund von mir, und seinen Spitznamen hat er nicht von seinem Können auf dem Tanzboden. Also reden Sie, ehe ich ihn und seinen Bolzenschneider hole.«
Ein Lächeln, das mir nicht gefiel, breitete
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