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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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fand er die Sammlung und trug sie erst einmal ins Freie, wo er Max zu sich rief und ihm erklären wollte, welche schlimmen Feinde er da mästete und verwöhnte. Max konnte das nicht verstehen, er bettelte für seine Raupen, er schwor, so auf sie aufzupassen, daß sie keinen Schaden anrichten konnten, aber der Chef gab nichts darauf, er hatte für jedes Wort nur ein Kopfschütteln, und obwohl Max seinen Arm umspannte und ihn zerrend und bittend zurückzuhalten versuchte, trug er die Kistchen zu einem offenen Feuer und kippte sie aus. Rums, kippte er sie aus. Das krümmte sich. Das stellte sich steil auf. Flackernd schnurgelten die bunten Härchen weg. Das zerbriet blasig und schmolz und verkohlte und war im Nu verschwunden. So erging es meiner Sammlung, sagte Max, und mehr sagte er nicht.
    Ich dachte schon, er würde den ganzen Weg nur noch schweigen, denn er ging in sich gekehrt, den Blick auf den Boden gerichtet, die Hände mit dem Stöckchen auf dem Rücken – aber als wir die Quartiere erreichten, fragte er mich aus heiterm Himmel, was für mich Glück ist, worauf ich ihn wohl so verdutzt ansah, daß er selbst lächeln mußte, und nach einer Weile fragte er wiederum: Was ist es denn für dich – Glück? Ich hab nicht sehr lange nachgedacht, ich sagte: Blautannen stäben. Da fragte er: Weiter nichts? Und ich sagte: Doch, wenn der Chef mit meiner Arbeit einverstanden ist, wenn er kommt und alles bewertet und meint: das macht dir keiner so leicht nach, Bruno. Max hat mir darauf einen freundlichen Klaps auf die Schulter gegeben, er war plötzlich so vergnügt, wie ich es mir wünschte, auch verwundert kam er mir vor, nicht anders, als sei ihm gerade etwas aufgegangen. Und als wir zu mir kamen, hat er sich nicht gleich verabschiedet, er nickte zu meiner Tür hin, er fragte stumm an, ob er hineinkommen dürfte, und ich schloß auf und rief Heiner Walendy ein beruhigendes Wort zu.
    Heiner Walendy hatte uns längst bemerkt, er stand schon fluchtbereit neben dem Eingang, flach an die Holzwand gedrückt, wenn ich es nicht geahnt und ihm beim Eintreten den Weg versperrt hätte, wäre er draußen gewesen auf Nimmerwiedersehn. Widerwillig setzte er sich aufs Bett, ich spürte seinen Vorwurf, mir entging nicht der lauernde Blick, mit dem er Max musterte, all mein Zureden hatte keine Wirkung, er entspannte sich nicht einmal, als ich ihm sagte, wen ich da angebracht hatte. Einen Weinbonbon, den Max ihm anbot, übersah er, doch die Zigarette, die nahm er und ließ sich Feuer geben und sog den Rauch gierig ein. Reden wollte er nicht, als Max ihn nur fragte, wie lange er schon bei mir sei, zeigte er auf mich und sagte: Der da weiß es, der weiß alles; und als Max ihm beibrachte, daß er die ganze Geschichte seines Mißgeschicks von mir erfahren habe, sagte Heiner Walendy: Dann können Sie ja dafür sorgen, daß ich abgeholt werde. Anruf genügt.
    Mehr zu sich selbst als zu Heiner Walendy sprach Max davon, daß es seine Risiken hat, wenn einer versucht, sich die ausbleibende Gerechtigkeit gewaltsam zu verschaffen, man kann es versuchen, gut, man muß es wohl auch mitunter, aber man sollte nicht vergessen, welche Folgen das haben kann. Wenn Gewalt aus der Verzweiflung kommt oder aus unabsehbarem Leiden, dann muß man sie wohl verstehen und anerkennen, aber hier war das ja wohl nicht der Fall. Heiner Walendy begann zu grinsen, er grinste und sah gequält zu mir herüber und fragte mich: Was ist los, Bruno, sollen wir hier Nachhilfeunterricht kriegen? Dann geh ich lieber gleich.
    Ein anderer, plötzlich war da ein ganz anderer Max als der, den ich kannte, schon die Art, wie er sich vom Fenster her Heiner Walendy zuwandte, zeigte seine Überlegenheit, eine drohende, unheilvolle Ruhe, die ich nie zuvor an ihm erlebt hatte, er verengte die Augen und sagte scharf: Spielen Sie sich nicht auf, Freundchen, Sie haben keinen Grund dazu; Sie scheinen zu vergessen, was Sie Bruno schuldig sind. Das hatte ganz schön gesessen, denn Heiner Walendy guckte nicht nur erstaunt, sondern auch bedammelt, und er vergaß an seiner Zigarette zu ziehen, als Max die Biegsamkeit seines Stöckchens erprobte, es spannte und zurückschnellen ließ und dabei zu reden anfing.
    Daß er genug gehört habe, sagte er, und daß er nur wenig davon glaube, sagte er, vermutlich sei es so gewesen, daß ein fester Lohn für das Fällen der Buche gar nicht ausgemacht worden sei; er, Heiner Walendy, habe sich nur deswegen unterbezahlt gefühlt, weil er sich ein Recht

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