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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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nicht ihr Ernst sein, ein Drittel des Landes und einige Einrichtungen dazu, vielleicht den Norden des alten Exerzierplatzes, alles vom Findling bis zur Senke und den grauweißen Boden bis zur Steinmauer, einer hat mich doch schon nach der besten Erde gefragt, Max wollte, daß ich mir nur zum Spaß das fruchtbarste Stück aussuchte, welche Hintergedanken hat er dabei gehabt? Ich weiß von nichts, sage ich, alles hier gehört doch dem Chef, er allein hat das Sagen, und außer ihm seine Frau und Joachim und Ina: die bestimmen, was mit den Quartieren geschehen soll. Ihnen ist wirklich nicht bekannt, wozu Herr Zeller sich verstiegen hat, fragt er, und er fragt: Er hat nichts mit Ihnen besprochen? Daß ich nicht fortgehen muß aus Hollenhusen, das hat er einmal gesagt, am Großen Teich hat er mir versprochen, daß ich immer bei ihm bleiben kann.
    Blasen stiegen vom Grund auf, es burbelte wie von einer heimlichen Quelle, als das Gewicht unten ankam, und wir saßen dicht nebeneinander auf dem verrotteten Stamm, und plötzlich sagte er: Uns bringt nichts mehr auseinander, Bruno, das verspreche ich dir.
    Gottseidank will er zur Tür, ich muß mich besinnen, ich muß allein nachdenken, was seine Überlegenheit bedeuten kann und dieser spöttische Ausdruck auf einmal; er zögert, er sagt: Es kommt da allerhand auf Sie zu, Herr Messmer, ich fürchte, Sie können kaum ermessen, was auf Sie zukommt. Aber er sagt auch etwas mit seiner anderen Stimme, mit der Stimme von weither, ich höre sie genau, dunkel, nicht mehr so rauchig: Dieser Vertrag wird nie in Kraft treten, da könnt ihr beide sicher sein, wir werden tun, was notwendig ist, um diese Schenkung zu verhindern. Zeller ist wohl von allen guten Geistern verlassen.
    Was will er denn noch von mir? Er hat die Hand schon auf dem Drücker, jetzt fällt ihm wieder etwas ein: Wenn ich noch etwas fragen darf, Herr Messmer, es wird erzählt, daß Sie hier verschiedene Funktionen erfüllen, das trifft doch zu? Ja, sage ich, und er darauf: Aber mit Maschinen und mit mechanisierten Geräten haben Sie wohl nichts zu tun? Kann es sein, daß Herr Zeller es nicht gutheißt? Der Chef möchte das nicht, sage ich, er hat mir die Aufsicht gegeben über alles Schneidewerkzeug und Veredelungsgerät. Eine wichtige Aufgabe, sagt er, und grüßt freundlich und setzt sich den Hut erst auf dem Hauptweg auf, setzt ihn sorgfältig auf und erstarrt plötzlich und tastet sich ab, nein, er hat nichts aus Versehen bei mir liegengelassen, er hat schon gefunden, wonach er suchte, und er geht auf die Festung zu.
    Nie und nimmer hat sich der Chef das ausgedacht, er weiß doch, daß ich ohne ihn nichts anfangen kann, nie und nimmer hat er solch einen Vertrag unterschrieben, wer kommt bloß darauf, wer setzt es in die Welt, daß der Chef mir den ganzen Norden unseres Landes schenken will, einschließlich einiger Einrichtungen. Da er mich kennt wie kein anderer, weiß er, daß ich am glücklichsten bin, wenn ich nach seinen Anweisungen arbeiten kann. Wenn er mir das Land hätte schenken wollen, hätte er bestimmt ein Wort gesagt, eine Andeutung gemacht, oder er hätte mich sogar gefragt, ob ich nicht einmal das Stück vom Findling bis zur Senke übernehmen möchte, das hätte er bestimmt getan, und ich hätte ihm dann gleich gesagt, daß ich das nicht will.
    Ein Irrtum, das ist gewiß ein Irrtum. Die getrockneten Pflaumen: gestern waren noch ein paar in der Tüte, ich habe die Tüte hier aufs Fensterbrett gelegt, und nun ist sie weg – kann sein, daß ich die Pflaumen selbst aufgegessen hab im Halbschlaf. Einen Schenkungsvertrag hat der Chef unterschrieben, das hat Herr Murwitz gesagt, und der Vertrag soll in Kraft treten, wenn der Chef tot ist, und dann soll mir gehören, was seine ganze Freude war und sein Stolz – ich will es nicht, mir kommt es nicht zu, und ich will es nicht. Nur daran zu denken, das macht mich schon ganz schwindlig.
    Es war nach einem Sturm; die ganze Nacht hatte es geweht, ein Tumult in der Luft, wie man ihn auch bei uns nur selten erlebt, das heulte in immer neuen Anläufen, erprobte die Festigkeit von Schuppen und Buden und Bäumen, allerhand flog durch die Luft, nicht nur Äste und Dachpfannen, manchmal glaubte man schon, selbst gelüftet und weggeweht zu werden. Viele zog es hinaus am nächsten Morgen, wir trauten der ausgebrochenen Stille nicht, gingen beklommen herum und zählten die Schäden, doch in den Quartieren waren sie nicht sehr groß, nicht so, wie nach manchen stillen

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