Leo Berlin
ins Zuchthaus geschickt?«, fragte Robert nachdenklich.
»Vermutlich nicht.
Seine Unzurechnungsfähigkeit war klar erkennbar«, entgegnete
Leo. »Er wäre wohl in einer Heilanstalt geendet. Für ihn
war es wohl besser so, als langsam den Verstand zu verlieren.«
»Das, was davon übrig
war«, warf Robert ein.
»Eigenartig, wie
durchdacht Geisteskranke manchmal handeln. Wir haben lange gebraucht, um
auf ihn zu kommen. Ob Sartorius Geld von ihm erpresst hat, werden wir wohl
nie erfahren. Egal, der Fall ist hiermit abgeschlossen.« Leo klappte
die Akte zu. »Jetzt lasse ich meinen Verband erneuern und hole Marie
aus dem Krankenhaus ab.« Er wollte gerade seine Jacke anziehen, als
von Malchow ins Vorzimmer trat.
»Herr Kommissar«,
er schaute Robert zögernd an.
»Warte bitte draußen
auf mich.«
Robert tippte sich an den Hut
und verließ das Zimmer.
»Nun?«
»Damit ist unsere
Zusammenarbeit wohl fürs Erste beendet.«
Leo nickte. »Haben Sie
mir noch etwas zu sagen? Wenn nicht, würde ich gern ins Krankenhaus
fahren.«
Von Malchow rieb sich
unbehaglich die Hände an der Hosennaht. »Eins noch. Ich wollte
mich bedanken. Die Sache im Flur, wie Sie ihn von mir abgelenkt haben,
meine ich.«
»Schon gut«,
unterbrach ihn Leo. »Sie waren auch zur Stelle, als ich Sie
gebraucht habe. Damit sind wir quitt. Ach nein, ich habe sogar etwas bei
Ihnen gut.«
Von Malchow sah ihn fragend
an.
»Der Artikel über
Dießing. Den hab ich nicht vergessen. Einen schönen Feierabend
wünsche ich.« Mit diesen Worten ließ er von Malchow
stehen und ging hinaus.
Auf dem Flur begegnete er
Gennat. »Gratuliere, Wechsler. Schöne Schweinerei auf der
Alexanderstraße, aber das ließ sich wohl nicht vermeiden, was?«
»Ich glaube nicht.
Andernfalls hätte er es in der Zelle getan, da bin ich mir sicher.
Trotz seiner Verwirrung hatte er erkannt, dass es keinen Ausweg gab.«
»Die Szene hier im Flur
habe ich leider verpasst. Kommt ja nicht so häufig vor, dass es bei
uns wie im Kriminalroman zugeht, was?« Er nickte freundlich und
watschelte davon.
»Den Verband lassen Sie
bitte drei Tage an Ort und Stelle, danach kommen Sie noch einmal zum
Nachsehen, verstanden?« Der Arzt sah Leo streng an.
»Ja, versprochen.«
»Was war eigentlich so
wichtig, dass Sie Hals über Kopf das Krankenhaus verlassen mussten?«
»Das lesen Sie sicher
morgen in der Zeitung, Herr Doktor.«
Marie stand fertig angezogen
neben ihrem Bett, in der einen Hand eine kleine Tasche und unter dem
anderen Arm ihre Bücher. Als er den Saal betrat, ließ sie alles
fallen und stürzte sich in Leos Arme. »Endlich, Vati, ich
dachte, du kommst gar nicht mehr.«
»Als wenn ich dich
vergessen würde!«
»Was macht dein
Gesicht?« Sie betastete vorsichtig das Pflaster an seiner Schläfe.
»Schon besser, Liebes.
Es tut kaum noch weh. Komm, wir fahren nach Hause.«
An diesem Tag leistete er
sich ein Taxi. Das hatten er und Marie sich wahrlich verdient.
»Ich würde dich
gern mit ihm bekannt machen.«
»Sicher, lade ihn demnächst
einmal ein. Ich verspreche, ich werde dann keinen Dienst haben, Ilse.«
Er war so froh, dass er Marie wieder zu Hause hatte und gleich zwei Fälle
erledigt waren, dass er seiner Schwester alles versprochen hätte.
An diesem Abend erzählte
er auch seinem Sohn, wie es zu den Verletzungen gekommen war, da er spürte,
dass Georg Angst um ihn gehabt hatte. Nachdem er die Kinder zu Bett
gebracht hatte, setzte er sich ins Wohnzimmer und vertiefte sich in ein
Kunstbuch. Als er es aufschlug, fiel ihm ein, dass er zuletzt darin
gelesen hatte, als Robert ihm den Mord an Gabriel Sartorius gemeldet
hatte.
Er blickte erst wieder auf,
als Ilse mit zwei Tassen Kräutertee das Zimmer betrat. Sie stellte
ihm eine hin und schaute ihn an, als wäre ihr nicht wohl in ihrer
Haut. »Hast du von Matussek gehört, Leo?«
»Nein. Hat der Prozess
begonnen?«
»Er ist schon vorbei.
Es ging alles ganz schnell. Sie haben auf Tod durch Enthaupten
entschieden.«
Leo zuckte unwillkürlich
zusammen. Er wusste, dass die Todesstrafe angesichts der vielen scheußlichen
Verbrechen oftmals angemessen schien, doch die Vergeltung von Gewalt mit
Gewalt behagte ihm nicht. Anders als manche Kriminalbeamte wohnte er
Hinrichtungen grundsätzlich nicht bei. »Hast du noch einmal von
der Kleinen gehört?«
»Ja, sie bleibt bei
ihrer Tante auf dem Land,
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