Leo Berlin
eigentlich einen großen Raum mit Bad, über der
Manufaktur, der auch von der Seitenstraße zu erreichen ist. Dort hat
der alte Herr Edel manchmal . . . Damen empfangen. Es war in der Firma ein
offenes Geheimnis, nur der Juniorchef wusste nichts davon. Er hat es erst
nach dem Tod seines Vaters erfahren.«
»Wie kommen wir
dorthin?«
»Ich zeige es Ihnen.«
Herr Lehmann führte sie
durch den Korridor, in dem es wie immer nach Bohnerwachs und Leder
duftete. Die Herren auf den Porträts blickten gleichgültig auf
die kleine Gruppe hinunter. Sie stiegen eine Treppe hinab und gelangten
durch eine große Doppeltür und über einen Fabrikhof in die
Manufaktur. Die Decke wurde von grün gestrichenen Metallträgern
mit Blättermuster gestützt, durch die hohen Fenster fiel
Tageslicht herein. Arbeiter saßen und standen an Tischen, neben sich
Kästen mit Knopfrohlingen und fertigen Knöpfen, schliffen, sägten
und bohrten. Über allem lag ein feiner Staub, der auch vor den
Fenstern im Sonnenlicht tanzte.
Am Ende der Halle ging eine
unauffällige Tür ab. Herr Lehmann drückte die Klinke
herunter. »Abgeschlossen.«
»Moment.« Robert
griff in die Tasche und zog einen Bund Dietriche hervor. »Die habe
ich immer dabei«, sagte er beinahe entschuldigend. Er machte sich an
dem Schloss zu schaffen, und bald schwang die Tür auf.
»Vielen Dank, Herr
Lehmann, wir brauchen Sie jetzt nicht mehr.«
Der Mann schaute sie enttäuscht
an, wandte sich aber widerspruchslos zum Gehen.
»Ich möchte nicht
wissen, wie es jetzt in ihm arbeitet«, flüsterte Robert.
Leo legte einen Finger an die
Lippen. »Leise, Edel könnte noch immer bewaffnet sein.«
Sie stiegen die schmale Treppe hoch, die in einem kleinen Absatz endete,
von dem eine Tür nach rechts abging. Gegenüber führte eine
ähnliche Treppe nach unten. Der Ausgang zur Straße.
Im Dämmerlicht sah
Robert die Schweißperlen auf Leos Stirn. Hoffentlich hielt er durch.
Nun galt es vor allem, einen Kampf zu vermeiden.
Leo schaute vorsichtig um die
Ecke. Die offene Tür gab den Blick auf einen großen Raum frei,
der nur mit einem breiten Bett möbliert zu sein schien. Darauf saß
mit dem Rücken zu ihnen ein Mann mit silberblondem Haar. Einen Moment
lang fühlte Leo sich an das Bild von der Frau erinnert, das er Elisa
Reichwein abgekauft hatte. Der Eindruck von Einsamkeit war ganz ähnlich.
Er hörte die
Schritte. Sie war gekommen. Nun würde alles gut. Er wollte sich zu
ihr umdrehen, doch etwas zwang ihn, still sitzen zu bleiben. Sie würde
von hinten kommen, sanft seinen Rücken berühren, ihn an der
Schulter zu sich herumdrehen –
»Kriminalpolizei. Ich
bin Kommissar Wechsler, das hier ist Kriminalsekretär Walther.
Maximilian Edel, ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes wegen Verdacht des
Mordes an Gabriel Sartorius und Erna Klante und des versuchten Mordes an
meiner Person. Kommen Sie bitte mit.«
Er glaubte schon, der Mann
werde nicht reagieren, doch dann wandte er sich ganz langsam um und stand
auf. Sein Gesicht war so blass, dass es mit dem Haar zu verschmelzen
schien. Er rieb sich den rechten Arm. Sein Blick wirkte starr, er schien
an den Männern vorbeizuschauen. »Sie ist nicht gekommen.«
Als sie durch die Manufaktur
gingen, wandten sich ihnen viele Köpfe zu, doch Edel schaute starr
geradeaus. »Darf ich noch meinen Mantel holen?«, fragte er,
und Robert begleitete ihn in sein Büro, wo Edel einen leichten
Sommermantel überzog. Er warf einen Blick auf die Papiere, die auf
seinem Schreibtisch ausgebreitet waren, doch Robert drängte ihn, sich
zu beeilen. Wenn ihr Verdacht stimmte, würden diese Papiere lange
unberührt bleiben.
Im Wagen saß Edel ruhig
mit Robert im Fond. Leo wunderte sich, dass er keinerlei Gegenwehr
geleistet hatte, doch womöglich stand er unter Schock. Auch war es
schon bei gesunden Menschen schwer, ihr Verhalten vorauszusagen, also
musste dies für einen vermutlich Geisteskranken in noch größerem
Maße gelten. Er lehnte sich in die Polster und wäre beinahe
eingeschlafen, so erschöpft fühlte er sich plötzlich. Zum
Glück hatten sie nicht lange nach Edel suchen müssen, das hätte
er nicht durchgestanden.
Leo ging vor ins Büro
und wies von Malchow an, mit Ellen und Viola Cramer im Nebenzimmer zu
warten, bis man sie rief. Dann gab er Fräulein Meinelt Anweisung,
niemanden hereinzulassen, holte Berns zum
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