Leo Berlin
»Nein, sie hat mich mit
dieser Krankheit angesteckt. Das meinen Sie doch, oder?«
»Ja, ich meine
Syphilis.« Leo sah, wie Edel zusammenzuckte.
»Mit dem weiteren
Verlauf haben Sie auch Recht. Ich merkte, dass etwas mit mir nicht
stimmte, habe aber nicht gewagt, einen Arzt aufzusuchen. Ich mochte nicht
über meinen Körper sprechen oder ihn anderen zeigen«,
brachte er mühsam heraus und nahm einen tiefen Schluck aus seinem
Glas. Robert, der an einem Regal lehnte, trat unbehaglich von einem Fuß
auf den anderen. Es war nicht angenehm zu sehen, wie sich ein Verhafteter
wand, doch er wusste, dass Mitleid fehl am Platz war. Für solche Verhöre
war Leo mit seiner ruhigen, präzisen Art genau der Richtige.
»Weiter, Herr Edel.«
»Danach fühlte ich
mich lange Zeit gesund. Etwa fünf Jahre müssen es gewesen sein.
In dieser Zeit starb mein Vater, und ich übernahm die Leitung der
Firma. Alles lief gut. Dann wurde ich wieder krank. Ich hatte
Herzprobleme, die für einen Mann meines Alters ungewöhnlich
waren. Vermutlich hingen sie auch mit dieser Krankheit zusammen, doch ich
habe meinem Arzt nichts davon gesagt. Er führte die Beschwerden auf
die starke berufliche Anspannung zurück. Ich war ja gerade erst
Direktor geworden. Dann bekam ich Geschwüre an den Händen.«
Er strich mit der linken über die rechte Hand, als tastete er nach
seinen Handschuhen. »Sie heilten ab, aber es blieben Flecken zurück.
Also trug ich von da an Handschuhe.«
»Deren Überreste
Ihre Haushälterin zerschnitten im Keller gefunden hat«, warf
Leo ein.
»Wie hat sie . . . ja,
ich habe sie vernichtet.«
»Warum?«
Edel fuhr sich über die
Stirn. Sein Blick wirkte noch starrer als zuvor, und er rieb sich wieder
den rechten Arm.
»Weil – dazu
komme ich noch. Als ich Viola kennen lernte, wurde alles anders.«
»Wann haben Sie Fräulein
Cramer kennen gelernt?«
»Vorletztes Jahr, bei
einem Silvesterball, den ihre Eltern gaben.«
»Und es kam zu einer
Annäherung zwischen Ihnen?«
»Ich habe mich in sie
verliebt und sie sich in mich. Für mich war es das erste Mal, dass
ich eine Frau traf, die ich heiraten wollte«, fügte er etwas
verlegen hinzu. Es klang so überzeugend, dass man es ihm glatt hätte
abnehmen können. Kein Wunder, er glaubte ja selbst daran. »Und
seit einigen Monaten ist sie meine Verlobte.«
»Fräulein Cramer
hat ausgesagt, dass sie nichts von dieser Beziehung weiß. Dass Sie
sich das alles nur einbilden.« Er überlegte, ob er die Frauen
hereinrufen sollte, verschob es aber, da er erst auf die Morde kommen
wollte.
»Das ist nicht wahr.
Ich habe das alles für sie getan.«
»Was genau haben Sie für
Viola Cramer getan?«
»Sartorius hat mir
geschrieben«, entgegnete Edel sprunghaft. »Ich hatte ihm alles
erzählt, und er wollte Geld von mir.«
»Er hat Sie also
erpresst?«
Edel sah ihn hilflos an.
»So nennt man es wohl. Er hat getan, als wollte er mir helfen, und
dann war er so . . . herablassend. Und dass auch andere davon wissen könnten,
dabei habe ich doch niemandem . . .« Seine Worte wurden immer
zusammenhangloser.
»Darum haben Sie ihn
ermordet? Wegen der Erpressung?«
»Ja, das auch.«
Edel sah sich gehetzt um. »Er musste weg. Er wusste alles, und ich
wollte doch mit Viola ganz neu anfangen. Alles Vergangene musste weg, ich
wollte völlig frei sein für sie.«
»Und Erna Klante?«
»Sie wusste es auch.
Sie hatte mich doch angesteckt«, stieß Edel ungeduldig hervor.
»Sie hätten es womöglich Viola sagen können, dann hätte
sie mich verabscheut, sich vor mir geekelt . . .« Er schaute auf
seine Hände und brach in Tränen aus. »Dann kamen die Träume.
Und mein toter Arm. Ich weiß nicht mehr weiter. Mein Vater hatte
immer diese Frauen da oben, und ich wollte nur diese eine und selbst sie .
. .« Er wurde von Schluchzen geschüttelt.
»Ich glaube, wir können
auf die Gegenüberstellung mit den Damen Cramer verzichten, er ist
jetzt ohnehin nicht mehr vernehmungsfähig«, sagte Leo zu
Robert. Dann wandte er sich an den völlig aufgelösten Mann.
»Wir bringen Sie gleich in eine Zelle. Der Gefängnisarzt wird
Ihnen etwas zur Beruhigung geben, und morgen können Sie ein volles
Geständnis ablegen, Herr Edel.«
Robert half dem Verhafteten
aufzustehen und führte ihn zur Tür. Als er mit ihm in den
Korridor trat, ging die Tür des Nachbarbüros auf, und von
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