Leo Berlin
Stenographieren dazu und ließ
sich schwer in den Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen.
Edel saß davor,
zusammengesunken, beinahe apathisch. »Sie ist nicht gekommen«,
wiederholte er. Es waren die ersten Worte, die er seit der Verhaftung
gesprochen hatte.
»Herr Edel, ist Ihnen
klar, warum wir Sie hierher gebracht haben?«, fragte Leo. »Sie
werden des Mordes an dem Heiler Gabriel Sartorius verdächtigt. Und an
der Prostituierten Erna Klante. Und des Mordversuchs an mir, und zwar
gestern in der Wohnung von Gabriel Sartorius.«
Edel reagierte nicht.
»Gut, dann erzählen
Sie uns, wer nicht gekommen ist.«
»Viola, meine Verlobte.«
Berns sah ihn erstaunt an, doch Leo bedeutete ihm mit einer Handbewegung,
er solle schweigen.
»Wir wollen demnächst
heiraten, ganz traditionell, keine moderne Hochzeit mit kurzem Kleid und
Essen im Hotel. Ich habe mir schon Brautkleider angesehen. Sie wird
wunderschön sein.«
»Herr Edel, uns liegt
eine Aussage vor, nach der Fräulein Cramer Sie gar nicht näher
kennt. Sie wurde von Ihrem Heiratsantrag völlig überrascht, wie
sie sagt.«
»Aber ich . . . sie hat
doch –« Er sah Leo hilflos an und rieb sich wieder den Arm.
»Herr Edel, die Sache
ist sehr ernst. Ein Geständnis würde uns allen helfen.«
Von Ernst Gennat hatte er gelernt, dass es ratsam war, Ruhe zu bewahren
und den Verhafteten mit Verständnis zu begegnen, um sie nicht zu verängstigen
oder noch verstockter zu machen.
»Sie haben im Jahre
1911 mit einer Prostituierten namens Erna Klante verkehrt. Einige Zeit später
haben Sie bestimmte Krankheitszeichen an Ihren Geschlechtsteilen entdeckt.
Rote Schwellungen, Verhärtungen, was auch immer. Aus Scham sind Sie
nicht zum Arzt gegangen und haben auch mit niemandem sonst darüber
gesprochen.«
Ganz langsam hob Edel den
Kopf und schaute Leo bestürzt an. »Woher wissen Sie das?«
»Das habe ich mir
zusammengereimt. War es so?«
Der Verhaftete schaute wieder
zu Boden und nickte. Dabei knetete er seine Hände, auf denen ein paar
helle Flecken zu sehen waren.
»Irgendwann waren die
Schwellungen verschwunden. Sie fühlten sich wieder wohl. Haben nicht
mehr an einen Arztbesuch gedacht, es ist ja auch unangenehm, mit Fremden
über so intime Dinge zu sprechen. Zumal Sie in geschlechtlichen
Dingen ohnehin sehr zurückhaltend waren. Anders als Ihr Vater.«
Das war ein Schuss ins Blaue, doch Leo hatte sich aus den Bemerkungen
über das Liebesnest in der Firma einiges zusammengereimt. Und sein
Gefühl sagte ihm, dass er richtig lag.
Edel riss den Kopf hoch und
legte eine Hand auf den Tisch. »Lassen Sie es mich . . . selbst erzählen.«
»Bitte.« Leo
lehnte sich zurück und atmete tief durch. Der Verband fühlte
sich mittlerweile klebrig an, hoffentlich blutete die Wunde nicht zu
stark. Er konnte das Verhör unmöglich unterbrechen.
Robert stand auf und kam mit
zwei Gläsern Wasser zurück, von denen Leo dankbar eins
entgegennahm. Das andere stellte Robert vor den Verhafteten.
»Wir hören, Herr
Edel.«
»Sie haben Recht mit
der Geschichte in diesem . . . diesem Etablissement. Wir waren an dem
Abend unterwegs, ein paar junge Burschen, mit denen mich mein Vater
bekannt gemacht hatte. Männer aus gutem Hause, aber mit wenig
Anstand. Eigentlich mochte ich sie nicht besonders. Sie tranken viel,
trieben sich bis in den frühen Morgen herum, so etwas lag mir nicht.
Von meiner Mutter habe ich gelernt, dass man Frauen mit Respekt begegnen
muss, und ein solches Haus hätte ich allein nie aufgesucht.«
»Sie brauchen sich
nicht zu entschuldigen.«
»Ich will es ja nur
erklären. Jedenfalls saßen wir in einem Nachtlokal, als ein
Bekannter meiner sogenannten Freunde dazustieß. Er hörte von
ihrer Idee, mit mir in ein Etablissement zu gehen und eine Frau zu
bezahlen, mit der ich dann schlafen sollte. Er sagte, er kenne ein
ausgezeichnetes Haus, in dem er selbst verkehre, und schleppte uns alle
dorthin. Ich . . . ich war sehr schüchtern und schämte mich in
Grund und Boden. Aber sie waren gnadenlos, drängten mich die Treppe
hinauf in dieses Zimmer, alles in Rot, und sie haben gejohlt, und er war
der Lauteste von allen . . . Den Rest dieser Geschichte möchte ich
lieber für mich behalten.«
Leo nickte. »In
Ordnung. Allerdings muss ich Sie fragen, ob Sie danach Verkehr mit Frauen
gehabt haben.«
Edel schüttelte den
Kopf.
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