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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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berücksichtigte. Da schwammen viele nasse
     Fische, dachte Leo.
    »Mit dem Mord an dem
     Heiler Sartorius. Wir kommen im Augenblick nicht weiter.« Es kostete
     ihn einige Überwindung, das zuzugeben, doch Gennat war für seine
     anständige Art bekannt und würde es nicht weitertragen.
    »Sie sind ein guter
     Mann, Wechsler, aber zu ungeduldig«, meinte der zehn Jahre ältere
     Gennat bedächtig. »Polizeiarbeit ist manchmal wie
     Briefmarkensammeln. Sie dauert.«
    »Ich weiß. Leider
     gehört Briefmarkensammeln nicht zu meinen Steckenpferden.«
    »Das merkt man. Und Sie
     sollten immer klaren Kopf bewahren.« Er schaute Leo prüfend an.
     »Besteht die Gefahr, dass der Täter erneut zuschlägt?«
    Leo überlegte. »Das
     kann ich nicht sagen, weil wir sein Motiv nicht kennen.«
    Gennat schob seinen leer
     geputzten Teller beiseite und lächelte. »Sie haben doch heute
     keinen Dienst, oder? Dann fahren Sie mal heim zu Ihren Kindern. Falls der
     Chef fragt, sage ich, dass Sie da waren.«
    Leo stand dankend auf und
     verabschiedete sich.
    In der Eingangshalle traf er
     auf Herbert von Malchow.
    »Guten Tag, Herr
     Kommissar«, sagte dieser ungewohnt beschwingt, und Leo fragte sich
     schon, wieso ein Mann, der so ungern samstags Dienst tat, derart gut
     gelaunt war.
    »Was sagen Sie zu der
     Sache mit Rathenau?«, erkundigte sich von Malchow.
    »Die Zeiten werden
     immer dunkler«, entgegnete Leo.
    »Dunkler? Das würde
     ich nicht sagen«, versetzte von Malchow und strich sich ein Stäubchen
     vom makellosen Jackett. »Der Vorfall ist bedauerlich, aber wenig
     überraschend. Vor allem nach Rapallo. Wer die Zeichen der Zeit nicht
     erkennt    
    –«
    »Verstehe ich Sie
     richtig?«, fragte Leo. »Sie nehmen diese Verbrecher in Schutz?«
    »Meine Worte zu deuten,
     überlasse ich Ihnen, Herr Kommissar. Sie sind doch Kriminalist, da dürfte
     es Ihnen nicht schwer fallen, oder?« Mit diesen Worten wollte von
     Malchow an ihm vorbei ins Morddezernat marschieren, doch Leo vertrat ihm
     den Weg.
    »Auf jeden Fall fällt
     mir die Kriminalarbeit leichter als Ihnen. Ihr Umgang mit Zeugen lässt
     ebenfalls zu wünschen übrig, wie der Fall Matussek gezeigt hat.
     Und ich brauche auch keine verlängerten Wochenenden, um mich von der
     Arbeit zu erholen.«
    »Sie können sich
     ja bei Ihrem Vorgesetzten über mich beschweren, Herr Kommissar. Fragt
     sich nur, wie gut Ihre Beziehungen nach oben sind. Und Sie sollten daran
     denken, dass Sie schon einmal unangenehm aufgefallen sind.« Er warf
     einen demonstrativen Blick auf Leos Narbe. »Sie mögen ja
     glauben, Ihre Zeit sei angebrochen, aber da wäre ich mir nicht so
     sicher. Heute ist die Empörung über den Mord an dem jüdischen
     Bolschewistenfreund noch groß, aber das wird nicht so bleiben. Guten
     Tag, Herr Kommissar.«
    Die Frau schlenderte im
     Schatten der Häuser entlang. Ihr Gang verriet noch Spuren von
     Koketterie, die Figur war ganz passabel, doch ihr Gesicht konnte keinen
     Freier täuschen. Sie wirkte verbraucht und alt, zu alt für ein
     Gewerbe, in dem Gesicht und Körper nicht unbedingt schön,
     zumindest aber jung zu sein hatten. Ihre Zeit war lange vorbei.   
    Was sie verdiente, reichte
     kaum zum Leben. Wehmütig dachte sie an die plüschigen Bordelle,
     in denen sie früher die Männer empfangen hatte. Dann waren die
     billigen Absteigen gekommen, zuletzt die Straßen und Hauseinfahrten
     hier im ehemaligen Scheunenviertel. Der Name passte nicht mehr, nachdem
     man viele alte Gebäude abgerissen hatte, doch Mauern und Pflaster
     verströmten noch immer den Geruch von Verfall und Verbrechen. In
     einer Großstadt, die so viele junge Mädchen anzog, die oft
     keinen Beruf hatten und irgendwie überleben mussten, war sie als Hure
     von fünfzig Jahren überflüssig wie ein Kropf.
    Nur dann und wann traf sie
     auf Männer, die noch Interesse an ihrem Körper hatten. Wohl kaum
     aus Mitleid, eher vielleicht aus dem Drang, sie zu demütigen, zu
     sehen, wie weit sie sie im Preis drücken konnten.
    Sie hatte gemerkt, dass es
     kaum eine Grenze nach unten gab. Und nur wenig, was sie nicht für ein
     bisschen Geld getan hätte.
    Sie wusste nicht, wovon sie
     am Ersten die Miete bezahlen und woher sie am Abend eine Suppe nehmen
     sollte. Sie achtete nicht auf die zusammengesackten Gestalten in den
     dunklen Hauseingängen, die Urinpfützen, die Kaschemmen, in denen
     kriminelles Gesindel den nächsten Beutezug plante.
    Sie sah ihn erst, als er sie
    

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