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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Säulenfront
     des Museums war eine Rednertribüne aufgebaut, von der aus jemand zu
     den Versammelten sprach.
    »Wer redet gerade?«,
     erkundigte sich Leo bei einem Mann mit dichtem Schnauzbart.
    »Det is eener von der
     USPD. Dann kommen noch welche von der SPD und der KPD. Und von der
     Jewerkschaft. Det kann noch dauern.«
    Eigentlich brauchte man die
     Reden gar nicht zu hören. Das Bild des Platzes war auch so
     beeindruckend genug, und Leo war froh, dass er an diesem Tag hierher
     gekommen war.
    Er hatte Georg einen
     Geldschein zugesteckt, damit Ilse mit den Kindern in den Zoo gehen konnte,
     während er sich die Lage in der Stadt ansah. Morgens hatte Marie sich
     nach ihrer Freundin erkundigt.
    »Vati, warum ist die
     Inge nicht mehr da? Wir wollten doch seilhüpfen und die Puppen baden.«
    Leo hatte seine Tochter
     seufzend auf den Schoß genommen. »Ihre Mutti ist gestorben,
     Marie.«
    Er hatte ihr erklärt,
     dass sie ähnlich wie Maries eigene Mutti gestorben sei.
    »Aber dann kann sie
     doch bei ihrem Vati wohnen und mit mir spielen, oder? Der Georg und ich
     wohnen doch auch bei dir.«
    Leo hatte seiner Tochter
     sanft eine Haarsträhne aus der Stirn gestrichen. Wie einfach Kindern
     die Welt doch schien. Warum mussten Erwachsene diese Einfachheit ständig
     durchkreuzen? »Ihr Vati hat etwas Schlimmes getan. Etwas Verbotenes.«
    »Ist er jetzt im Gefängnis?«
    »Ja, das ist er. Und
     deshalb kann er sich nicht um Inge kümmern. Sie wohnt jetzt bei ihrer
     Tante auf dem Land, da hat sie es sicher gut.«
    Marie hatte etwas traurig
     genickt. »Darf sie die Kühe melken? Und die Fohlen streicheln?
     So wie in meinem Bauernhofbuch?«
    »Das kann schon sein.
     Ich weiß nicht, ob ihre Tante einen Bauernhof hat, aber möglich
     ist es schon. Vielleicht kann ich herausfinden, wo sie wohnt, dann kannst
     du ein Bild malen und es ihr schicken.«
    Marie hatte ihm einen Kuss
     gegeben und war von seinem Knie gesprungen.
    Im Gehen hatte er bei Ilse
     eine seltsame Spannung gespürt. »Wann bist du wieder da?«,
     hatte sie kurz angebunden gefragt.
    »Ich beeile mich. Ich
     bin um vier zurück.«
    »Du hast ja Marlen.«
     Er hatte die leisen Worte, die gar nicht für ihn bestimmt zu sein
     schienen, sehr wohl gehört.
    Er schaute hinüber zum
     Alexanderplatz, wobei ihm einfiel, dass er noch Unterlagen im Büro
     hatte, die er durchgehen wollte. Er sah auf die Uhr. Da ihm noch etwas
     Zeit blieb, ging er rasch zum Präsidium hinüber. Es war ihm so
     vertraut, dass er gar nicht mehr auf das ungeheuer wuchtige Bauwerk mit
     den hellroten Ziegeln und den mächtigen Türmen achtete, die das
     Eingangsportal und die vier Ecken zierten. Nur selten wurde er sich der
     schieren Kraft bewusst, die die »Fabrik« ausstrahlte.
    Er setzte sich ins
     Wohnzimmer, zündete eine Zigarre an und hüllte sich paffend in
     den duftenden Rauch. Er schlug ein Musterbuch auf, in dem Fräcke und
     Gehröcke abgebildet waren. Verschiedene Schnitte, klassisches Schwarz
     und gewagtere Farben, weiße Binder und steife Krägen, elegante
     Zylinder in Schwarz und Ascot-Grau. Welche Schuhe? Natürlich Lack,
     das war klar, nur über die Form musste er noch entscheiden. Dann
     legte er das Buch beiseite und nahm eine schwere Mappe vom Tisch.     
    Die war weitaus
     interessanter. Die Goldprägung auf dem Einband lautete »Atelier
     Meiser. Elegante Damenmode aus Berlin«. Es mochte ungewöhnlich
     erscheinen, dass er sich um die Auswahl des Brautkleides kümmerte,
     doch Viola wusste, dass er in der Mode bewandert war und einen unfehlbaren
     Geschmack besaß. Sie würde sich ganz auf ihn verlassen.
    Er blätterte zurück.
     Vorfreude war schön, aber zuerst kam einmal die Verlobung. Auch dafür
     wollte er das Kleid aussuchen, so war es abgesprochen. Dunkelblau mit
     einem Anklang von Violett, mit kleinem Ausschnitt und zarter Spitze, das wäre
     passend. Keinen der neuen modernen Hüte, die wie ein umgestülpter
     Kochtopf aussahen. Nein, ausladend und weiblich sollte er sein und ihr
     Gesicht ein wenig geheimnisvoll erscheinen lassen.
    Zufrieden klappte er die
     Mappe zu. Er würde persönlich mit Vera Meiser sprechen und
     Violas Verlobungskleid in Auftrag geben.
    Den Knopf und die tote
     Frau im Hinterhof hatte er schon vergessen. Und spürte in seiner
     Euphorie auch nicht das leichte Zucken in der rechten Hand.
    Leo nahm die Aktenmappe aus
     der Schublade, schloss die Bürotür ab und wollte gerade gehen,
     als hinter ihm eine

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