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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Rathenau.«
    »Darum sind wir auch
     hier«, rief Kern und schüttelte die erhobene Faust. Seine
     Freunde machten ihrem Zorn mit wütenden Ausrufen Luft.
    In diesem Moment stürmte
     ein Trupp Männer in schwarzen Hemden auf Kerns Freunde zu und griff
     sie ohne Vorwarnung an. Sie trugen schwarz-weiß-rote Armbinden und
     prügelten mit brutaler Gewalt auf die Arbeiter ein. Kern krümmte
     sich nach einem Schlag in den Magen am Boden und drehte sich zu Leo, der
     das Rad fallen ließ und einen Ausweis aus der Tasche zog. »Kriminalpolizei,
     sofort aufhören.« Die Schläger stoben davon, einer brüllte
     noch »Scheißbolschewisten!« Ein Knüppel blieb
     einsam auf dem Rasen liegen.
    Als Kern vornübergebeugt
     und keuchend vor ihm stand, sagte Leo trocken: »Gut, dass ich Georgs
     Büchereikarte dabeihatte.«
    Kern sah ihn fassungslos an,
     dann grinste er mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Danke. Morgen gibt
     es einen großen Demonstrationszug gegen die Rechten, Helfferich und
     Konsorten. Bist du dabei, Leo?«
    Der schüttelte den Kopf
     und stieg wieder aufs Rad. »Du weißt doch, ich bin
     Polizeibeamter. Demonstrier lieber für mich mit.« Mit diesen
     Worten trat er wieder in die Pedale und schoss auf das Brandenburger Tor
     zu. Je näher er der Stadtmitte kam, desto dichter drängten sich
     die Menschen auf den Straßen. Spontane Reden wurden gehalten,
     Agitatoren mischten sich unter Spaziergänger, die das schöne
     Wetter genossen. Unter den Linden fuhr er über den Mittelstreifen,
     weil dort weniger Betrieb war. Automobile und Droschken verstopften die
     Straßen, und er wäre beinahe vom Rad gefallen, als ein Mann mit
     Schiebermütze knapp vor ihm mit einem Droschkenkutscher Streit
     anfing.
    Leo wurde das Strampeln allmählich
     leid, als endlich der Alexanderplatz mit der Fabrik vor ihm auftauchte. Er
     stellte Roberts Rad in einem Keller ab und eilte ins Morddezernat. Viele
     Kollegen standen auf den Fluren und unterhielten sich, es schien kein
     anderes Thema als das Attentat zu geben. Leo rief sich Roberts Warnung ins
     Gedächtnis, doch als eine massige Gestalt mit ausgestreckter Hand auf
     ihn zukam, atmete er auf. Bei Ernst Gennat brauchte er kein Blatt vor den
     Mund zu nehmen. Der schwergewichtige Kommissar nahm ihn mit in sein Büro
     und bot ihm einen Platz auf dem Sofa an.
    »Ich bin ja kein
     Politischer, Wechsler, hab mich immer nur um meine Arbeit gekümmert.
     Aber allmählich versteh ich die Welt nicht mehr. Sie etwa?«
    Leo schüttelte den Kopf.
    »Ein Stück Kuchen?«
     Gennat deutete auf eine Platte mit drei Stücken Erdbeertorte. Leo,
     der seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, nahm dankend
     an. Gennat klatschte noch einen dicken Löffel Sahne obendrauf, schob
     Leo den Teller hin und bediente sich ebenfalls.
    »Manchmal frag ich
     mich, ob die Verbrecher in Moabit oder in den schnieken Salons sitzen«,
     sinnierte Gennat. »Der Rathenau war doch gerade erst Minister. Hat
     die Sache richtig angepackt. Die Herren von oben haben ihm immer wieder
     Polizeischutz angeboten, aber den hat er einfach nicht gewollt.«
    »Die Nationalen haben
     den Mord geradezu herausgefordert«, meinte Leo. »Sie haben so
     lange mit Worten auf ihn eingedroschen, bis jemand zur Waffe gegriffen
     hat. Aber das werden die Menschen nicht einfach hinnehmen. Ich bin mit dem
     Rad über die Charlottenburger Chaussee gekommen, da versammeln sich
     schon Leute. Es werden bestimmt große Kundgebungen stattfinden.«
    »Richtig so. Wo leben
     wir denn? Die ganzen Raubmorde sind schlimm genug, aber wo kommen wir in
     Deutschland hin, wenn es alltäglich wird, gewählte Politiker zu
     ermorden? Denken Sie an Erzberger und die Sache mit Scheidemann.«
     Ernst Gennats dralles Gesicht war noch röter als sonst.
    »Wird eine
     Sonderkommission für die Fahndung zusammengestellt?«
    Gennat nickte und kaute.
     »Deutschlandweit.« Dann hob er die Gabel. »Aber da
     werden wir nicht mitmischen. Ich habe noch die beiden Giftmorde zu
     bearbeiten, und Sie? Womit sind Sie doch gleich beschäftigt?«
    Leo wusste, dass Gennat ständig
     auf eine Reform der Kripoarbeit drängte und es ungeheuerlich fand,
     dass die eine Mordkommission nicht wusste, was die andere gerade tat.
     Daher führte er gern das eine oder andere Gespräch bei Kaffee
     und Kuchen, um sich zu informieren. Niemand wusste, wie viele Fälle
     unaufgeklärt blieben, weil man nicht die möglichen Zusammenhänge
     zwischen einzelnen Morden

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