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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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hielt ihrem
     Vater ein besonders dickes Exemplar hin. »Für dich, Vati. Hab
     ich dem Georg weggeschnappt.«
    Leo biss lächelnd in die
     Erdbeere. Der Saft tropfte ihm übers Kinn. Er wischte ihn mit der
     Hand ab und dachte, solche Tage müsste es öfter geben. Vergessen
     war der Fall Sartorius, als er sich von Marie an der Hand zum Erdbeerbeet
     ziehen ließ. »Guck mal, Vati, so viele haben wir schon.«
     Stolz zeigte sie auf die Schüssel, die zwischen den Reihen stand. Sie
     war bereits halb voll.
    »Wie habt ihr das denn
     geschafft?«, fragte er Georg.
    »Tja, wir sind eben
     schnell. Da hängt aber auch ’ne Menge dran. Die würde
     Robert gar nicht alleine schaffen.«
    Leo hockte sich hin und
     bestaunte einen grün schillernden Käfer, den Marie entdeckt
     hatte. Dann stand er auf und sah über den Zaun in die Nachbargärten.
     Zierpflanzen gab es nur wenige, die meisten Leute zogen Obst und Gemüse,
     um ihren mageren Speiseplan zu bereichern. Glücklich, wer in diesen
     Zeiten einen Schrebergarten besaß.
    Leo sah auf die Uhr. Halb
     drei. Plötzlich hörte er eine laute Stimme am Gartentor und ging
     zur Laube zurück. Ein untersetzter Mann in verschwitztem Hemd eilte
     auf Robert zu und rief: »Der Rathenau ist tot!«
    Keuchend blieb er vor dem
     Gartentisch stehen. »Heute um elfe. Auf dem Weg ins Ministerium ham
     se’n erschossen. Im Auto.«
    »Jetzt mal langsam«,
     sagte Leo. »Woher wissen Sie das?«   
    »Hab’s in der
     Stadt gehört, die Leute haben von nüscht anderem jeredet. Im
     offenen Wagen isser durch ’n Grunewald gefahrn. Dann ham se auf ihn
     gefeuert und ’ne Handgranate jeschmissen.« Damit eilte er
     weiter zum nächsten Garten.
    Leo und Robert sahen sich an.
     Die Polizei hatte den Außenminister mehrfach vor Attentaten gewarnt,
     doch er hatte jeglichen Polizeischutz abgelehnt. Er war schon lange die
     Zielscheibe der Nationalisten, und nachdem vor zwei Monaten der Vertrag
     mit der Sowjetunion unterzeichnet worden war, hassten sie ihn noch mehr.
    »Du kennst doch das
     Lied: Auch Rathenau, der Walter, erreicht kein hohes Alter, knallt ab den
     Walter Rathenau, die gottverdammte Judensau«, sagte Leo bitter.
     »Jetzt haben sie ihre Drohung wahr gemacht.«
    »Meinst du, wir müssen
     in die Fabrik?«, fragte Robert.
    »Wäre wohl besser.
     Aber es reicht, wenn einer von uns fährt. Bleibst du mit den Kindern
     hier?«
    »Lass mich fahren, ich
     bin mit dem Rad da. Die beiden freuen sich doch, wenn sie am Wochenende
     mit dir zusammen sind.«
    »Ich nehme das Rad und
     beeile mich. Rathenau war ein anständiger Mann, von denen gibt es
     heute viel zu wenige. Verdammt.« Wütend trat er einen Stein
     gegen das Tischbein.
    »Leo, pass auf, was du
     sagst.«
    Er schaute Robert überrascht
     an. »Wie meinst du das?«
    »Na ja, es mag wohl den
     einen oder anderen geben, der über Rathenaus Tod nicht so traurig ist
     wie du.«
    »Wie Recht du hast«,
     meinte Leo lächelnd, doch seine Augen blieben ernst. Er
     verabschiedete sich von Georg und Marie, die zwar ein wenig enttäuscht
     waren, aber abgelenkt wurden, als Robert ihnen einen Eimer zum
     Raupensammeln hinstellte.
    »Bis nachher, Vati.«
    Im Gehen hörte er noch,
     wie Robert seinem Sohn erklärte, dass ein wichtiger und guter Mann
     erschossen worden sei.
    Leo fuhr so schnell, dass ihm
     das Hemd bald am Rücken klebte. Jetzt schwitze ich das schöne
     Bier wieder aus, dachte er bei sich. Eigentlich musste er immer nur
     geradeaus fahren, allerdings an die zwanzig Kilometer. Er rollte durch
     Spandau und Charlottenburg, vorbei am Schloss und bog in die
     Charlottenburger Chaussee ein, die beiderseits vom Tiergarten gesäumt
     wurde. Menschen bevölkerten den Park, von denen die meisten nicht wie
     Spaziergänger aussahen. Auf den Rasenflächen standen viele in
     Gruppen zusammen und diskutierten erregt, einer hielt ein selbstgemaltes
     Plakat mit der Aufschrift »Mörder« hoch. Auf einem
     anderen Schild war mit Wandfarbe verzeichnet: »Erst Karl und Rosa,
     jetzt Erzberger und Rathenau!« Unruhe lag in der Luft, und Leo sah
     auch einige Schupos am Rande des Parks.
    Als er am Großen Stern
     vorbeiradelte, rief eine bekannte Stimme: »He, Leo, wo willst du
     denn hin?« Er hielt an und entdeckte Joachim Kern, einen Arbeiter
     aus dem Nachbarhaus, mit dem er gelegentlich eine Molle in der Eckkneipe
     trank. Leo wusste, dass Kern KPD-Mitglied war.
    »Ich muss ins Präsidium,
     wegen dem Mord an

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