Leo Berlin
sie merkte schnell, wenn beides nicht mehr
zusammenpasste.
Die Kollegen lachten
mittlerweile auch nicht mehr, wenn sie für ein Bier am Abend neun
Mark hinlegen mussten. Zwar waren sie als Beamte besser gestellt als
Arbeiter, die jeden Tag um ihre Stelle fürchten mussten, doch die
Polizei war nicht sonderlich gut besoldet, und bei vielen wurde es allmählich
eng.
»Ich fahre heute mit
den Kindern zu Robert in die Laube. Er hat Erdbeeren im Garten, da können
wir welche mitnehmen. Die Kinder haben bestimmt Spaß beim Pflücken.
Und du kannst dir mal einen ruhigen Tag gönnen.«
Ilse nickte knapp und ging
mit dem Korb in die Küche. Marie sah ihn entzückt an. »Wir
fahren zu Onkel Robert in den Schrebergarten?«
»Ja, ich habe gedacht,
ihr freut euch.«
»Vati, du bist so lieb«,
sagte sie und gab ihm einen stürmischen Kuss auf die Nase. Dann
rannte sie los und holte das Körbchen aus ihrem Zimmer, in dem sie
sonst Puppenkleider aufbewahrte. »Für die Erdbeeren.«
»Gut. Sag Georg, er
soll sich endlich anziehen.«
Leo freute sich auch auf die
Stunden mit Robert und den Kindern. Die letzten Tage waren anstrengend
gewesen. Sie hatten zusätzlich einen Raubmord übernommen, weil
der zuständige Kommissar erkrankt war, und den Fall ziemlich schnell
aufgeklärt, mussten aber zwei Nächte vor einer Kaschemme im
Scheunenviertel auf der Lauer liegen, bis der Gesuchte dort auftauchte.
Die schlaflosen Nächte steckten Leo in den Knochen, und er konnte
einen faulen Samstag in Roberts Laube gut gebrauchen.
Er packte zwei Flaschen
Brause, zwei Flaschen Bier, eine Tüte Kekse und zwei Zigarren, die er
in einem Anflug von Leichtsinn gekauft hatte, in eine alte Aktentasche.
»Georg, Marie, es geht
los.« Er verabschiedete sich von Ilse und machte sich mit den
Kindern auf den Weg zur Haltestelle. Sie fuhren mit der Elektrischen
hinaus nach Spandau. Leo freute sich über das fröhliche
Geplapper der Kinder und dachte gleich, das müssten wir eigentlich
öfter machen, nur fehlte meistens die Zeit dazu.
Sie stiegen am Brunsbütteler
Damm aus, von wo aus es nur ein kleiner Fußmarsch bis zur Kolonie
»Grüne Heide« war. Sie traten durch das rosenberankte
Eingangstor, und Marie lief los, als sie Robert an der Gartenpforte stehen
sah. »Onkel Robert!«, rief sie schon von weitem.
Robert Walther begrüßte
das kleine Mädchen, gab Georg die Hand und nahm Leo die Tasche ab.
»Schön, dass ihr kommt. Die Erdbeeren warten schon.«
Er gab den Kindern eine
Emailleschüssel und schickte sie ins Erdbeerbeet. »Aber lasst
auch ein paar für zu Hause übrig«, sagte Leo grinsend.
Robert hatte die Parzelle von
seinen verstorbenen Eltern übernommen. Er hing daran, obwohl er im
Beisein mancher Kollegen, die solche Einrichtungen als kleinbürgerlich
betrachteten, nicht gern über seinen Schrebergarten sprach. Er genoss
es, sich nach der Arbeit hierher zurückzuziehen, und gab offen zu,
dass er eigentlich kein Stadtmensch war. Leo kam auch gern ab und zu her,
brauchte aber den pulsierenden Lärm und die Hektik Berlins, um sich
wirklich wohl zu fühlen.
Sie setzten sich an den
Gartentisch unter dem Vordach der Laube.
»Bisschen früh für
Bier, oder?«, fragte Robert.
»Warm schmeckt es aber
nicht«, entgegnete Leo und öffnete den Bügelverschluss
seiner Flasche, worauf Robert es ihm gleichtat und die Flasche hob.
»Aufs Wochenende.«
Leo wollte eigentlich nicht
über die Arbeit sprechen, doch etwas drängte aus ihm heraus.
»Hör mal, der Fall Sartorius –«
»– macht dir
Sorgen. Mir auch. Ich weiß ehrlich nicht, wo wir noch ansetzen
sollen. Wir sind allen Spuren nachgegangen. Selbst die Plakate haben
nichts ergeben.«
Die Kriminalpolizei klebte
seit Jahren Fahndungsplakate an Litfaßsäulen und Hauswände
und stellte sogar Beweismittel in Schaufenstern aus, was schon zu dem
einen oder anderen Fahndungserfolg geführt hatte.
»Wie auch? Wir haben
nur gefragt, ob jemand zur Tatzeit gesehen wurde, als er ins Haus
hineinging oder herauskam. Keinerlei nähere Beschreibung, keine
besonderen Kennzeichen, nichts. Wir wissen nicht mal, ob es ein Mann oder
eine Frau war. Zu dumm, dass wir keine Patientenkartei oder Ähnliches
gefunden haben.«
»Vermutlich hatte er
alles hier oben drin.« Robert tippte sich an die Stirn.
Marie tauchte mit
erdbeerverschmiertem Gesicht hinter einem Gebüsch auf und
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