Leo Berlin
blieb vor der Kneipentür stehen. Dann versetzte er
unvermittelt der grünen Pumpe am Straßenrand einen Fußtritt.
Sie war tatsächlich
verabredet gewesen. Und hatte nicht weggekonnt, weil er den Mordfall
übernommen hatte. Also musste sie mit ihrem Freund auf der Straße
auf und ab gehen, während die Kinder irgendwo spielten. Leo wollte
den Gedanken verdrängen, doch er bahnte sich unbeirrt seinen Weg.
Wenn Ilse nun irgendwann eine eigene Familie wollte?
8
»Hier unten, siehst du
– KE, das steht für Knöpfe Edel. Das ist der Hersteller.«
Robert hatte Erkundigungen eingezogen. »Eine bedeutende Firma, sie
beliefert Geschäfte in ganz Europa.«
Leo studierte Roberts
Aufzeichnungen und sah ihn leicht gequält an. »Das heißt,
der Knopf kann ebenso gut von einem Franzosen stammen, der Kunde bei einem
Pariser Maßschneider ist. Oder von einem Engländer, der nach
Berlin gereist ist, zufällig auf Erna Klante stieß und sie
ermordet hat. Und Fingerabdrücke sind auch keine dran.« Er
schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und stand auf. »Nein, so
kommen wir nicht weiter. Es führt kein Weg an den Kaschemmen vorbei.
Wir gehen nachher mit Stahnke und Berns los, Stankowiak habe ich bereits
dafür abstellen lassen.«
»Wir sollten der Sache
trotzdem nachgehen«, meinte Robert. Er wollte den Knopf als
Beweismittel nicht so rasch aufgeben. »Wir sollten bei der Firma
Edel nachfragen. Vielleicht können sie uns eine Liste aller Berliner
Händler und Ateliers zusammenstellen, die diese Flechtknöpfe
gekauft haben.«
»Gut, fahr hin und rede
mit den Leuten.« Leo stand in Gedanken versunken da. »Wenn es
nicht so unwahrscheinlich wäre, würde ich sagen, die Fälle
haben miteinander zu tun.«
Robert sah ihn fragend an.
»Die Hure und der
Heiler, klingt wie ein Schundroman. Aber überleg doch mal: In beiden
Fällen stammten die Tatwerkzeuge aus der Wohnung, der Mörder
ging entweder mit hinein oder wurde anstandslos eingelassen, denn es gibt
keinerlei Anzeichen eines Einbruchs und praktisch keine Spuren. Fingerabdrücke
– ebenfalls Fehlanzeige. Ich bin gespannt, wie es bei Erna Klante
mit dem Motiv aussieht.«
Robert überlegte.
»Das alles kann purer Zufall sein, Leo. Die Milieus sind doch
vollkommen unterschiedlich. Ich weiß nicht, ob die paar Ähnlichkeiten
diese Annahme rechtfertigen.«
»Vermutlich hast du
Recht. War nur so ein Gefühl.«
Robert warf ihm einen
Seitenblick zu. Er kannte Leos Gefühle. Und wusste, dass er damit nur
selten danebenlag.
In diesem Augenblick ging die
Tür auf und Dr. Lehnbach trat ins Zimmer. Leo begrüßte ihn
überrascht. »Seltener Besuch. Bitte nehmen Sie Platz.«
Der Arzt blieb stehen.
»Ich bin in Eile, Herr Kommissar, wollte aber kurz meinen Bericht im
Fall Klante ergänzen. Ich habe mir die Leiche noch einmal genau
angesehen und am Hals depigmentierte Flecken entdeckt, ein sogenanntes
Halsband der Venus. Ähnliche Flecken stellte ich an den vorderen
Achselfalten fest.«
Leo beugte sich gespannt vor.
»Und? Was heißt das?«
»Die Ursache ist eher
prosaisch. Die Flecken deuten auf eine Syphiliserkrankung im zweiten
Stadium hin. Sie können auch an den Genitalien oder im Mund
auftreten, sind an Hals und Nacken aber am deutlichsten zu erkennen. Sie
waren mir wegen der Strangulationsspuren zunächst nicht aufgefallen.«
»Heißt das, sie könnte
ihre Freier angesteckt haben?«, fragte Robert.
»Nicht so hastig. Ich
habe ansonsten keinerlei Anzeichen einer derartigen Erkrankung
festgestellt. Die Flecken können schon Jahre alt sein. Als
Prostituierte hat sie sich vermutlich behandeln lassen, es ging immerhin
um ihren Broterwerb. Die Krankheit wurde dem Anschein nach fachgerecht mit
Salvarsan oder Neosalvarsan therapiert. Außerdem ist sie lediglich
im ersten und zweiten Stadium ansteckend.«
»Demnach wäre es
wohl kein Motiv für einen Mord, oder?«, warf Leo nachdenklich
ein und verschränkte die Hände im Nacken.
Der Arzt zuckte mit den
Schultern. »Vermutlich nicht. Aber für die Motive sind Sie zuständig.«
»Vielen Dank, Herr Dr.
Lehnbach. Dürfte ich Sie bitten, mir den Befund schriftlich
nachzureichen?«, fragte Leo.
»Natürlich, ich
schicke ihn morgen hoch. Auf Wiedersehen, die Herren.« Mit einer
knappen Verbeugung verließ er das Büro.
»Kurz angebunden, aber
äußerst fähig«, meinte Leo anerkennend. »Wir
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