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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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sollten uns umhören, ob jemand von ihrer Krankheit wusste.«
    Teure Viola,
    ich weiß, dass Du heute
     in Berlin zurückerwartet wirst. Da ich ein altmodischer Mensch bin,
     schreibe ich Dir, bevor wir uns sehen. Ein Brief ist ein wunderbarer Weg,
     um einem lieben Menschen mitzuteilen, was einen im Innersten bewegt.
    Deine Abwesenheit hat mich
     betrübt, aber da ich ständig Dein Bild vor Augen hatte, konnte
     ich daraus Kraft schöpfen. Ich kann es kaum erwarten, endlich Tag für
     Tag mit Dir zusammen zu sein. Mit Dir zu reisen. Die Welt zu sehen.
    Manchmal kommt es mir vor,
     als hätte ich jahrelang in einem Kokon gelebt, eingesponnen in meine
     Einsamkeit. Als hätte ich die Welt wie durch eine Glasscheibe
     gesehen, die mich von den anderen Menschen trennte.
    Dann kamst Du. Ich werde nie
     vergessen, wie ich Dich auf dem Silvesterball zum ersten Mal gesehen habe.
     Dein Kleid war schilfgrün, Du hast ausgesehen wie eine Wassernixe,
     die über das Parkett schwebt, ohne es zu berühren.
    Nun ist der Kokon zerbrochen.
     Ich winde mich heraus, mühsam noch, mache unsichere Schritte, sehe
     die Welt wie ein Schlafender, der endlich die Augen öffnet. Doch mit
     Deiner Hilfe werde ich wieder gehen lernen. Es gibt nicht mehr viel, was
     mich von unserem gemeinsamen Leben trennt. Nur noch kurze Zeit, dann
     werden wir eine Zukunft beginnen, die sich wie ein prachtvoller Teppich
     vor uns entrollt.
    Lass uns am Sonntag am
     Wannsee spazieren gehen. Dort können wir uns ungestört
     unterhalten, das schöne Wetter genießen und endlich einmal ganz
     allein sein.
    In tiefer Liebe,
    Dein Max
    Hoffentlich hatte er sich
     von seinem Überschwang nicht zu sehr hinreißen lassen. Manche
     Formulierungen klangen ein wenig gekünstelt oder unbeholfen, aber das
     Gefühl, das er damit ausdrücken wollte, war echt. Es fiel ihm
     einfach leichter, seine Gedanken dem unberührten Papier
     anzuvertrauen, als sie Viola persönlich zu gestehen. Er war kein
     guter Redner, kein Schmeichler. Und in letzter Zeit unterliefen ihm
     manchmal so dumme Versprecher.
    Die Kriminalassistenten
     Stahnke und Berns traten ein, wenig später kam auch Ernst Stankowiak.
    Leo bat die drei Männer,
     Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich auf die Schreibtischkante und
     beugte sich vor. »Sie wissen, dass wir vor einer schwierigen Aufgabe
     stehen. Da wir nicht ausschließen können, dass es ein
     Milieumord war, bei dem es um rivalisierende Luden oder kriminelle
     Machenschaften ging, werden wir das Viertel gründlich durchleuchten.
     Das heißt, alle in Frage kommenden Kaschemmen, Bordelle,
     Speisehallen und Geschäfte überprüfen.«
    »Wir sollten zuerst mit
     den Wirten sprechen«, meldete sich Stankowiak zu Wort. »Die
     wissen eine Menge über ihre Gäste.«
    Leo nickte ihm zu. »Sie
     kennen sich auf dem Kiez besser aus als wir, daher wollte ich Sie gern in
     meiner Mannschaft haben. Und denken Sie daran, es geht heute nur um die
     Prostituierte Erna Klante, ihre Vergangenheit, ihre Kunden, ob sie einen
     Luden hatte, wie lange sie im Viertel auf den Strich ging und so weiter.
     Wer sie wann und wo zuletzt gesehen hat. Ob noch jemand außer dem
     Zeugen Zylberstein den eleganten Freier bemerkt hat. Verstanden?«
    Stahnke, Berns und Stankowiak
     nickten.
    Leo deutete auf den
     Stadtplan, der neben der Tür hing. »Wir fangen mit der
     Linienstraße an, ›Blauer Strumpf‹, ›Katakombenkeller‹
     und so weiter. Die Straße ist ziemlich lang, dafür müssen
     wir viel Zeit einplanen. Da die Tote dort gewohnt hat, sollten wir gerade
     in dieser Straße mit größter Sorgfalt vorgehen. Danach
     kommen ›Augustkeller‹ und ›Joachimskeller‹ an
     die Reihe. Und vergesst nicht das ›Dalles‹.«
    Er wandte sich an Stankowiak:
     »Können Sie mir Namen von Hautärzten besorgen, die auch
     Prostituierte behandeln?«
    »Natürlich. Wir
     haben eine Liste im Dezernat. War die Frau krank?«
    »Der Leichendoktor hat
     Anzeichen einer früheren Syphiliserkrankung festgestellt.«
    Der Pole runzelte die Stirn.
     »Ich habe nie etwas darüber gehört. Sie hieß nur die
     alte Erna, es gab keinen Spitznamen, der irgendwie auf ihre Krankheit
     hingedeutet hätte. Aber ich höre mich mal bei den Kollegen um,
     die schon länger dabei sind.«    
    Leo nickte. »Gut. Gehen
     wir los.«
    Im Hof des Gebäudes
     stiegen sie in einen der schwarzen Dienstwagen. Als Leo aus der
     Toreinfahrt bog, lief ihnen um ein Haar eine Frau vor den Wagen. Er hielt
     an

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