Leo Berlin
Knopf. »Wenigstens etwas. Ansonsten
haben wir nichts gefunden. Auch keine brauchbaren Fingerabdrücke. Die
stammten fast ausnahmslos von der Toten.«
Leo holte ein Taschentuch
heraus und nahm den Knopf vorsichtig mit zwei Fingern am Rand auf. Er war
besonders schön geformt und mit einem Geflecht aus dünnen
Lederstreifen überzogen. »Passt nicht zu der Frau, oder?«
»Passt überhaupt
nicht zu einer Frau, würde ich sagen. Wir haben auch kein Kleidungsstück
gefunden, zu dem er gehören könnte«, meinte Robert.
»Den kann natürlich jeder Freier verloren haben, aber es sieht
aus, als hätte sie nicht mehr allzu viele gehabt.«
»Frag vorsichtshalber
auch den Hauswirt.«
Doch Gustav Seidel schüttelte
den Kopf, als Walther ihm den Knopf zeigte.
»Der Knopf wird auf
Abdrücke untersucht. Dürfte bei dem Flechtmuster schwierig sein,
aber es lohnt einen Versuch.«
Dann wandte Leo sich wieder
Herrn Zylberstein zu. »Stankowiak, fragen Sie den Zeugen bitte, ob
ihm irgendetwas an Frau Klante aufgefallen ist. Ob er weiß, mit wem
sie verkehrte, ob sie Feinde hatte. Ob sie in kriminelle Geschäfte
verwickelt war.«
Der Mann schüttelte
heftig den Kopf.
»Lassen Sie ihn
unterschreiben. Vielleicht kommen wir noch einmal auf ihn zu. Und danken
Sie ihm in meinem Namen.«
Stankowiak übersetzte
rasch und übergab Leo das Vernehmungsprotokoll. »Ich mache mich
dann auf den Weg.«
»Sollen wir Sie nicht
fahren?«
»Nein, ich wohne nicht
weit von hier.«
»Vielen Dank, ich
revanchiere mich bei Gelegenheit«, sagte Leo und ging zu Walther.
Die Leiche hatte man abtransportiert.
»Wir haben eine
gewaltige Aufgabe vor uns«, erklärte Leo. »Ich habe dafür
gesorgt, dass Stahnke und Berns wieder in unserer Mannschaft sind. Wir müssen
sämtliche Kaschemmen im Viertel überprüfen. Es ist immerhin
nicht auszuschließen, dass es ein Mord aus dem Milieu heraus gewesen
ist. Am besten, wir leihen uns zusätzlich jemanden von der Sitte aus,
der die Gegend besser kennt. Vielleicht Stankowiak, der hat mir gefallen.«
»Ja, der Mann ist gut«,
bestätigte Robert. »Hat sich in kurzer Zeit nach oben
gearbeitet. Und gerade hier können wir ihn gut gebrauchen, weil er
Polnisch spricht.« Das ehemalige Scheunenviertel und die Gegend um
den Schlesischen Bahnhof wurden von zahlreichen polnischen Zuwanderern
bewohnt, die meist kaum Deutsch sprachen. Die Polizei hatte es bei
Ermittlungen in diesem Milieu nicht leicht und war oft auf die Hilfe Außenstehender
angewiesen. Daher war ein Mann wie Ernst Stankowiak ein wertvoller Zuwachs
für die Kripo.
»Lass uns Schluss
machen«, sagte Leo. »Wir bringen die Sachen ins Büro,
dann fahre ich nach Hause.«
Leo konnte den Kindern noch
gute Nacht sagen. Dann schaltete er im Kinderzimmer das Licht aus und ging
zu Ilse ins Wohnzimmer. Schon beim Hereinkommen war ihm Kälte
entgegengeschlagen. Seine Schwester wirkte noch immer seltsam, erregt und
abweisend zugleich. Er wusste nicht recht, wie er in dieser Stimmung mit
ihr umgehen sollte.
»Ich hoffe, die Kinder
hatten Spaß im Zoo«, bemerkte er leichthin.
Ilse nickte nur und blickte
unverwandt auf ihre Stopfarbeit.
»Du natürlich
auch.«
Sie sah ihn misstrauisch an.
»Warum sagst du das?«
»Aus Höflichkeit,
Herrgott noch mal«, erwiderte Leo, plötzlich gereizt. »Habe
ich dir etwas getan? Manchmal kann ich dein vorwurfsvolles Gesicht kaum
ertragen.« Er merkte, dass er zu weit ging, konnte sich aber nicht
mehr zügeln. »Ich tue meine Arbeit und versuche, mich so gut
wie möglich um die Kinder zu kümmern. Reicht das nicht?«
Ilse schaute ihn verletzt an.
»Fragst du dich dann und wann auch mal, was mit mir ist? Ob es noch
etwas außer dir, deiner Arbeit und den Kindern gibt? Ob ich
vielleicht heute noch etwas vorhatte, als du einfach alles umgeworfen und
beschlossen hast, an deinem freien Tag in die Stadt zu fahren? Und dann
auch noch einen Fall zu übernehmen, obwohl du gar keinen Dienst
hattest? Warum warst du überhaupt im Büro?«
Leo wusste, sie hatte nicht
Unrecht, und dennoch reizte ihre vorwurfsvolle Art ihn bis aufs Blut.
»Was hast du denn vorgehabt? Du warst doch da, als ich angerufen
habe.«
»Natürlich. Was
kann ich schon vorgehabt haben außer Socken zu stopfen und mit
deinen Kindern in den Zoo zu gehen?« Sie betonte das »deine«.
»Was hat eine Frau wie ich denn schon vor?«
Leo
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