Leo Berlin
Malchow an der Bordellgeschichte beteiligt gewesen war,
hatte Leo bislang verschwiegen.
»Blatzheim wohnt in
Spandau«, sagte von Malchow. »Hier ist die Adresse.«
Leo sah ihn überrascht
an. »Verstehe ich Sie richtig? Während Robert Walther und ich
in Potsdam, bei Herrn Dießing in Zehlendorf und bei Frau Blank
waren, haben Sie lediglich die Adresse festgestellt? Soll das ein Witz
sein?« Die anderen sahen angestrengt weg. Wenn Leo in dieser
Stimmung war, verhielt man sich am besten möglichst unauffällig.
Leo tippte mit einem Stift gegen seine Kaffeetasse, während er auf
eine Antwort wartete.
»Ich hatte nicht den
Auftrag, die fragliche Person aufzusuchen.«
»Ich habe aber auch
nicht gesagt, dass Sie es nicht sollen, von Malchow«, sagte Leo
betont ruhig. »Von meinen Mitarbeitern erwarte ich, dass sie
mitdenken. Selbständiges Handeln ist kein Verbrechen.«
Von Malchow atmete scharf
ein. Leo sah auf die Uhr. »Gut, es ist spät, machen wir
Schluss. Morgen früh um acht Uhr dreißig besprechen wir das
weitere Vorgehen. Herr von Malchow, Sie bleiben bitte noch hier.«
Leo setzte sich bedächtig
und faltete die Hände auf dem Schreibtisch.
»Sie haben mir
Informationen über diesen Fall vorenthalten.«
Von Malchow zog die
Augenbrauen hoch. »Tatsächlich?«
»Bei dem Gespräch
mit der Bordellwirtin Blank fiel auch Ihr Name.«
Von Malchow sah ihn ehrlich
überrascht an. »Da bin ich ewig nicht mehr gewesen. Außerdem
ist es wohl kaum verboten, ein Freudenhaus aufzusuchen. Dann säße
ja halb Berlin hinter Gittern.«
Leo unterbrach ihn unwirsch.
»An moralischen Urteilen bin ich nicht interessiert, aber wenn es
eine Verbindung zwischen Ihnen und unserem Fall gibt, möchte ich das
gerne wissen. Wer war der junge Mann, der damals seine Unschuld verloren
hat?«
Von Malchow schien etwas zu dämmern.
»Ach Gott . . . diese Geschichte meinen Sie? Den kannte ich nicht.
Hatte ihn nie zuvor gesehen.«
»Können Sie mir
das näher erklären?«
»Lassen Sie mich
nachdenken, es ist ja Jahre her. Ich war unterwegs an dem Abend und traf
zufällig ein paar Bekannte, die diesen Burschen im Schlepptau hatten.
Sie hatten irgendwie rausgefunden, dass er noch nie was mit einer Frau
gehabt hatte, und wollten ihm eine Freude machen. Ich fand die Idee ganz
amüsant und schlug Elviras Etablissement vor, in dem ich häufiger
verkehrte. Das ist alles. Ich habe nicht einmal mitbekommen, wie er hieß.«
»Gut, das war die eine
Sache. Anders sieht es mit Erna Klante aus. Wie konnten Sie mir Ihre
Bekanntschaft mit dem Opfer in einem Mordfall verschweigen, den unsere
Kommission zurzeit bearbeitet?«, fragte Leo schneidend.
Von Malchow sah ihn verständnislos
an, worauf Leo die Photographien der Ermordeten aus einer Mappe nahm und
sie dem Kollegen hinwarf. »Haben Sie die Akten etwa nicht
aufgearbeitet, als Sie meiner Kommission zugeteilt wurden? Schauen Sie
genau hin. Und stellen Sie sich vor, sie wäre zehn, elf Jahre jünger.
Gepflegter.«
»Ja und?«
Leo hatte allmählich
genug. »Sie sind mit Ihren Freunden bei Erna Klante gewesen, haben
diesen jungen Mann mehr oder weniger gegen seinen Willen zu ihr
geschleppt. Haben ihn dazu gebracht, mit einer möglicherweise an
Syphilis erkrankten Prostituierten zu schlafen!« Er schlug mit der
flachen Hand auf den Tisch.
»Das ist . . . ich habe
doch nicht gewusst, was mit ihr los war! Oder wie sie hieß! Meinen
Sie etwa, ich frage eine Prostituierte nach ihrem Familiennamen? Die heißen
bei den Kunden entweder Erna oder Rosa oder Dora, das merkt sich doch kein
Mensch.«
»Ihr Umgang
interessiert mich nur insoweit, als er mit dem vorliegenden Fall in
Verbindung steht«, versetzte Leo eisig. »Ihr Verhalten
hingegen zeigt mir, dass Sie mich entweder wissentlich belogen oder die
Unterlagen des Falles nicht genau studiert haben. Ich werde darum bitten,
dass man Sie wegen Befangenheit von diesem Fall entbindet, Herr von
Malchow. Guten Tag.«
Leo stand vor dem Blumengeschäft
und überlegte. Doch dann fielen ihm Ilses Worte wieder ein, dass er
sich schon als Junge freigekauft hätte, wenn es Schwierigkeiten gab.
Nein, Blumen waren keine gute Idee.
Zu Hause legte er den Schlüssel
auf die Garderobe, zog den Mantel aus und hängte ihn an einen Haken.
Ilse saß im Wohnzimmer und las.
»Guten Abend.«
Sie schaute hoch. »Guten
Abend, Leo.« Es klang
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