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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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an. »Die Erna? Das ist doch ewig her. Wir haben uns ohne Streit
     getrennt. Ich weiß nicht, ob Sie . . . jedenfalls war sie krank, und
     ich habe ihr bei der Behandlung ein bisschen unter die Arme gegriffen. Natürlich
     konnte ich sie nicht weiterbeschäftigen, das Risiko war einfach zu
     groß.«
    »Sie litt an Syphilis?«,
     fragte Robert geradeheraus und sah, wie Frau Blank ein wenig
     zusammenzuckte. Das Wort konnte selbst in diesen Kreisen noch immer Furcht
     und Schrecken hervorrufen.
    »Ja. Man hatte damals
     gerade dieses neue Mittel entdeckt, Salvarsan oder wie das heißt. Es
     war nicht unumstritten, aber Erna wollte nicht sterben. Sie hatte Angst.
     Da habe ich ihr Geld gegeben.«
    »Und sie wurde geheilt?«
    »Ich glaube schon.«
    »Wann haben Sie sie zum
     letzten Mal gesehen?«
    Frau Blank überlegte
     nicht lange. »Damals, 1911 muss das gewesen sein. Ich nannte ihr den
     Namen einer Kollegin, an die sie sich wenden sollte. Ihr Haus ist nicht so
     exklusiv wie meins, aber immer noch besser als die Straße. Verstehen
     Sie, Erna war nicht nur krank, sie war auch keine zwanzig mehr. Moment, da
     fällt mir etwas ein. Vor ein paar Wochen hat jemand nach ihr gefragt.«
    »Wer war das?«
    »Er hat am Telefon
     seinen Namen nicht genannt, wollte nur wissen, ob sie noch hier arbeitet.
     Ich sagte, dass sie schon lange nicht mehr bei mir wäre. Vermutlich
     ein alter Kunde.«
    »Haben Sie ihm auch den
     Namen des anderen Bordells genannt?«
    »Ja. Es ist schließlich
     kein Geheimnis, wo Erna von hier aus hingegangen ist. Aber ob sie noch da
     arbeitet –«
    Leo beugte sich vor und
     verschränkte die Hände. »Das tut jetzt nichts zur Sache.
     Wissen Sie, ob sich Freier bei ihr angesteckt haben?«
    Frau Blank schüttelte
     den Kopf. »Das kann ich nicht sagen. Gehört habe ich jedenfalls
     nichts dergleichen. Aber worum geht es überhaupt?« Sie stand
     auf und holte aus einem Schrank eine neue Schachtel türkische
     Zigaretten. Mit einer eleganten Bewegung nahm sie eine heraus, steckte sie
     an und inhalierte tief. Als sie den Rauch ausstieß, wogte er als
     üppig duftende Wolke um ihren Kopf.
    »Erna Klante wurde
     ermordet. In einem Hinterhof in der Linienstraße.«
    »In der Linienstraße?
     Wie kam sie dorthin? Hat sie etwa da gewohnt?«, fragte Frau Blank
     ehrlich überrascht.
    »Ja. Und hat in der
     Gegend wohl auch ihren letzten wertvollen Besitz verpfändet.«
     Leo holte zum dritten Mal an diesem Tag die Brosche hervor und zeigte sie
     der Bordellbesitzerin.
    Sie nickte. »Ja, die
     hat der Erna gehört. Sie war so stolz darauf. Extra für sie
     angefertigt, die dürfte nicht billig gewesen sein. Der Kunde hatte
     wohl einen Narren an ihr gefressen.«
    »Kannten Sie ihn?«,
     fragte Robert rasch.
    »Ja, aber ich spreche
     nicht über meine Kunden«, entgegnete die Bordellbesitzerin
     ebenso rasch. »Das ist Ehrensache.«
    »Und wenn ich Ihnen
     sage, dass der Kunde Kurt Dießing hieß und heute als
     Abgeordneter im Reichstag sitzt?«, fragte Leo.
    »Dann werde ich Sie
     vielsagend anschauen und schweigen.«
    »Wir ermitteln in einem
     Mordfall und können daher keine Rücksicht nehmen«, sagte
     Leo betont offiziell. »Falls Sie sich namentlich an Kunden erinnern,
     die mit Erna Klante verkehrt haben, fordere ich Sie auf, die Namen zu
     nennen.«
    Frau Blank schüttelte
     den Kopf. »Herr Kommissar, es ist lange her. Wie soll ich mich da an
     jeden einzelnen Kunden erinnern? Und wer welche Mädchen bevorzugt
     hat? Sie erwarten zu viel von mir.«
    »Könnte Erna
     Klante einen Freier angesteckt haben?«, fragte Leo erneut. »Zwischen
     dem Zeitpunkt der Ansteckung und der Behandlung ist sicher eine gewisse
     Zeit vergangen.«
    »Das mag sein. Es täte
     mir leid, gehört aber zu den Gefahren, die nicht ganz auszuschließen
     sind, wenn man ein Haus wie meins besucht. Natürlich passe ich auf
     meine Mädchen auf, aber ich stehe nicht neben dem Bett, wenn Sie mich
     verstehen.« Sie drückte energisch ihre Zigarette aus. »Ich
     kann Ihnen versichern, dass ich von niemandem weiß, der sich bei der
     Erna die Franzosenkrankheit geholt hätte. Aber es gibt eben nicht nur
     Stammkunden, die ich persönlich kenne und deren Wegbleiben ich
     bemerken würde, sondern auch flüchtige Besucher, die einmal und
     nie wieder kommen. Wenn sich einer von denen angesteckt hat –«
     Sie zuckte mit den Schultern.
    Robert wollte sich nicht
     damit abfinden, dass sie Ernas Vergangenheit so nahe gekommen waren

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