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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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abwartend.
    Er ging ins Kinderzimmer, um
     Georg gute Nacht zu sagen, holte sich aus der Küche ein Glas Wasser
     und setzte sich zu Ilse. Er drehte das Glas in den Händen und überlegte.
    »Ich habe dir übrigens
     nichts mitgebracht«, sagte er schließlich.
    Sie sah ihn erstaunt an.
     »Wie meinst du das?«
    »Ich habe nichts
     mitgebracht, damit du nicht denkst, ich wollte mich wieder freikaufen. Es
     tut mir leid. Dass ich gestern nicht angerufen habe, meine ich. Ich
     betrachte es aber nach wie vor als mein Recht, eine Nacht bei einer Frau
     zu verbringen.«
    Ilse sagte noch immer nichts.
    »Vielleicht war es
     nicht der richtige Zeitpunkt, aber . . . aber ich wollte einfach mit ihr
     zusammen sein. Natürlich mache ich mir Sorgen um Marie, das hatte
     überhaupt nichts mit ihr zu tun.«
    »Ich weiß. Es ist
     nicht leicht für dich und auch nicht für mich. Nicht verheiratet
     zu sein, meine ich. Geschwister sollten nicht wie Mann und Frau
     zusammenleben.« Sie errötete. »Du weißt schon, wie
     ich es meine.«
    »Ja, Ilse. Aber
     wenigstens ist so keiner von uns allein.« Er stellte sein Glas ab.
     »Meinst du, ich kann um diese Zeit noch mal ins Krankenhaus?«
    Sie nickte. »Ihr
     Zustand ist unverändert, aber sie freut sich bestimmt, wenn du zu ihr
     hereinschaust.«
    Erleichtert machte Leo sich
     auf den Weg zum Krankenhaus. Ein länger schwelender Streit oder
     stummes Nebeneinanderleben wäre ihm unerträglich gewesen.
    Marie schlief. Er klopfte
     leise ans Fenster, aber sie schien ihn nicht zu hören. Hoffentlich spürte
     sie dennoch, dass er da war. Auf dem Flur erwischte er einen Arzt und
     erfuhr, dass sich ihr Zustand immerhin nicht verschlechtert hatte. Die nächsten
     beiden Tage waren entscheidend.
    Leo wollte schon nach Hause
     gehen, doch dann fiel ihm noch etwas ein. Er ließ sich den Weg zur
     Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten erklären und
     fragte dort nach einem Arzt, der sich mit Syphilis auskannte.
    »Damit kennen sich hier
     alle aus«, antwortete die Schwester trocken und winkte einen Arzt
     herbei, der gerade den Kittel ausziehen wollte. »Herr Dr. Opitz, der
     Kommissar möchte etwas über Syphilis wissen.«
    Der Arzt, der ziemlich müde
     wirkte, führte Leo in ein Besprechungszimmer und bot ihm einen Stuhl
     an. »Ich hoffe, Sie erwarten keine Sittengeschichte von der
     Entdeckung Amerikas bis zur Gegenwart, Herr Kommissar. Ich habe nämlich
     Feierabend. Nach sechzehn Stunden.«
    »Keine Sorge, ich habe
     nur einige kurze Fragen. Wie wird Syphilis heute behandelt?«
    »Vor allem mit
     Neosalvarsan. Es ist seit einigen Jahren auf dem Markt und das beste
     Mittel, wir haben gute Erfolge damit erzielt. Sein Vorläufer
     Salvarsan hatte teilweise heftige Nebenwirkungen, die man bei dem
     Nachfolgemedikament eindämmen konnte.«
    »Wäre es denkbar,
     dass vor zehn, elf Jahren hier in Berlin Menschen mit diesem Mittel
     geheilt wurden?«
    »Durchaus.
     Vorausgesetzt, sie hatten den Mut, das neue Mittel zu probieren. Es gab
     damals heftige Auseinandersetzungen, die Mediziner waren in zwei Lager
     gespalten, was den Patienten auch Angst gemacht hat. Aber die frühere
     Behandlung mit Arsen war weitaus gefährlicher und besaß kaum
     Aussicht auf Erfolg.«
    »Und wenn man Syphilis
     nicht behandelt?«
    »Manche Patienten
     genesen, doch das kommt eher selten vor. Wir teilen die Erkrankung in vier
     Stadien ein. Das letzte Stadium, die sogenannte Paralyse, stellt einen
     Befall des Gehirns dar, dessen Nervenzellen zerstört werden. Sie kann
     sich sehr unterschiedlich auswirken, ist letztlich aber tödlich.
     Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen, Wahnsinn, all das ist in
     diesen Fällen denkbar. Wird hingegen das Rückenmark befallen,
     sprechen wir vom Tabes dorsalis. Er ist ebenfalls eine schwere Erkrankung,
     die jedoch meist nicht unmittelbar zum Tode führt.«
    Leo machte sich Notizen.
     »Wie lange dauert es gewöhnlich, bis das vierte Stadium
     eintritt?«
    Der Arzt legte die
     Fingerspitzen aneinander und stützte das Kinn darauf. »Auch das
     ist unterschiedlich. Vom Zeitpunkt der Infektion an können zehn, wenn
     nicht sogar zwanzig Jahre vergehen, bis der Patient das letzte Stadium
     erreicht.«       
    Er stand auf. »Kommen
     Sie mit.«
    Der Arzt führte Leo
     durch einen langen, kahlen Korridor und öffnete eine Tür.
     »Unser kleines Archiv. Keine Angst, es sind nur Photographien. Ich
     habe nicht vor, Ihnen meine Patienten

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