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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Lehmann hat auch nichts ergeben,
     oder?«
    Robert schüttelte den
     Kopf. »Wir können unmöglich sämtliche Kunden überprüfen.
     Ohne nähere Anhaltspunkte wie Fingerabdrücke oder Zeugenaussagen
     kommen wir nicht weiter.«
    Leo stand auf. »Ich gönne
     mir heute einen Nachmittag zu Hause. Mit sämtlichen Akten des Falles
     Sartorius. Ich möchte von Malchow nicht mehr über den Weg
     laufen, sonst vergesse ich mich.«
    »Ich kann’s
     verstehen. Wobei ich nicht geglaubt hätte, dass er so weit geht und
     mit der Presse redet. Er weiß doch, dass man ihn dafür
     entlassen kann.«
    »Sofern der Präsident
     erfährt, wer geplaudert hat«, gab Leo zu bedenken.
    Robert suchte im Vorzimmer
     die Akten des unaufgeklärten Mordes an dem Heiler zusammen und überreichte
     Leo den ganzen Stoß. »Die passen nicht in deine Aktentasche.«
    »Macht nichts, ich
     klemme sie unter den Arm. Bis morgen, Robert.«
    Er ging schnell zu Hause
     vorbei, um die Akten loszuwerden, und fragte Ilse nach der Bücherei.
     »Die Krankenschwester sagte, du wüsstest Bescheid. Gibt es hier
     überhaupt eine Leihbibliothek außer der vom alten Blum in der
     Beusselstraße?«
    »Nein, das ist die
     einzige, die ich kenne. Die wird sie wohl gemeint haben. Wir sind schon
     lange nicht mehr da gewesen, weil der Mann immer so unfreundlich ist. Aber
     Marie würde sich sicher über ein paar Bilderbücher freuen«,
     antwortete seine Schwester.
    Da es noch früh am
     Nachmittag war, ging Leo in Ruhe die belebte Turmstraße entlang. Das
     schöne Wetter und das geschäftige Treiben konnten beinahe über
     die elende Lage der meisten Menschen hinwegtäuschen, doch wenn man
     genau hinsah, entdeckte man auch hier Bettler, Kriegskrüppel und
     Kinder mit Hungerbäuchen.
    Die Leihbücherei besaß
     nur ein großes Fenster, das immer von einer Schmutzschicht bedeckt
     war. Leo kam selten dort vorbei und hatte nie das Bedürfnis verspürt,
     hineinzugehen. Nur einmal hatte er etwas für die Kinder ausgeliehen,
     den Inhaber aber so mürrisch gefunden, dass er sich danach lieber bei
     Ausverkäufen und Antiquariaten umgesehen hatte. Auch war es so
     finster im Laden gewesen, dass man kaum die Titel entziffern konnte.
    Schon von weitem sah er, dass
     ein neues Schild über dem Eingang hing. Nicht mehr LEIHBIBLIOTHEK,
     sondern BÜCHER BLEIBTREU stand in Goldbuchstaben darauf. Ob der
     Besitzer gewechselt hatte? Er blieb vor dem Schaufenster stehen, das
     frisch geputzt aussah und innen mit einem sauberen, dunklen Tuch ausgelegt
     war, von dem sich die Bücher vorteilhaft abhoben. Eine bunte
     Mischung: in einer Ecke Liebesromane, Kriminalgeschichten, Märchenbücher;
     daneben einige liebevoll angeordnete Werke: ›Buddenbrooks‹,
     ›Der Untertan‹, Gedichtbände von Stefan George, Else
     Lasker-Schüler und Rilkes ›Die Aufzeichnungen des Malte
     Laurids Brigge‹, dazu eine geschmackvoll gebundene
     Shakespeare-Gesamtausgabe. Neugierig stieg er die drei Stufen hoch und drückte
     gegen die Tür, die sich mit einem leisen Klingeln öffnete.
    Der Laden wirkte viel heller
     als früher. Der Raum war nicht allzu groß, aber sehr hoch, und
     der Besitzer hatte den vorhandenen Platz geschickt ausgenutzt und die
     Regale bis unter die Decke gezogen. Für mutige Leser stand eine
     Trittleiter mit Rollen bereit.       
    Leo sah sich um. Was nicht
     mehr in die Regale passte, stapelte sich ordentlich auf einigen Tischen.
     Die wenigen freien Stellen an den Wänden waren mit gerahmten
     Schriftstellerporträts geschmückt. Er wollte gerade nach
     Heinrich Manns ›Der Untertan‹ greifen, als eine Frau aus dem
     Hinterzimmer trat.
    »Eine gute Wahl«,
     sagte sie lächelnd. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich wollte ein paar Bücher
     für meine Tochter ausleihen. Sie liegt im Krankenhaus und langweilt
     sich.«
    »Das kann ich
     verstehen. Was hat sie denn?«
    »Diphtherie, aber das
     Schlimmste ist wohl überstanden«, sagte Leo mit unverhohlener
     Erleichterung.
    Die Frau deutete auf das
     Hinterzimmer, aus dem sie eben getreten war. »Sie sind heute mein
     erster Kunde – möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee, während
     Sie sich etwas aussuchen? Ich trinke lieber billigen Tee als ungenießbaren
     Kaffee.«
    Leo zögerte kurz, dann
     nahm er das Angebot dankend an. Sie ging vor ihm her, glitt zwischen den Bücherstapeln
     hindurch, als hätte sie sich nie woanders bewegt, ihr wadenlanger
     Rock streifte im Vorübergehen die

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