Leo Berlin
absolut inakzeptabel. Sie sollten Ihre Männer
besser im Griff haben, Wechsler.«
Leo biss die Zähne
zusammen. Er befand sich in einer Zwangslage, konnte aber unmöglich
Namen nennen, solange er keine Beweise für seine Vermutung hatte. In
einem war er jedoch sicher: Geld war nicht der Grund für diese
Indiskretion gewesen.
»Sie werden den Fall
mit der bisherigen Kommission weiterbearbeiten. Aber nehmen Sie sich in
Acht, ich behalte Sie im Auge. Noch so ein Fauxpas, und Sie können
Streife laufen.«
Leo erhob sich. »Darf
ich jetzt gehen? Ich habe zu tun.«
Von Gatow sah ihm nach, als hätte
er ihn am liebsten auf der Stelle gefeuert.
Robert warf Leo verstohlene
Blicke zu und wunderte sich über dessen Gelassenheit.
»Wir wissen nach wie
vor nicht, wer der elegante Herr ist, den man am Abend des 24. Juni mit
Erna Klante gesehen hat. Wir haben allerdings zwei Aussagen, die sich
decken. Dass es sich um Kurt Dießing handelt, ist unwahrscheinlich.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er nach 1910 noch Kontakt
zu der Toten gepflegt hat. Somit hat die Brosche als Beweisstück an
Bedeutung verloren, und wir müssen uns wieder auf den Knopf
konzentrieren. Robert, du gehst gleich die Liste durch.«
Walther nickte.
»Und ich werde nachher
Herrn Blatzheim befragen. Sein Umgang mit der Toten kann als erwiesen
gelten, vielleicht bekommen wir von ihm noch einen Hinweis. Wie sieht es
mit der Liste der Ärzte aus?«
Stankowiak legte einige
geheftete Blätter auf den Tisch. »Dr. Ernst Wollschläger.
Ich hatte Glück, er war gleich der Dritte auf der Liste. Es gibt nur
wenige Ärzte, die damals schon mit dem Medikament gearbeitet haben.
Im Übrigen behandelt er nicht nur Prostituierte, ist aber bekannt für
seine Erfahrungen bei der Behandlung der Syphilis. Er hat Erna Klante im
Jahre 1910 erfolgreich mit Salvarsan behandelt. Sie wies bei den späteren
Kontrolluntersuchungen keine Symptome der Erkrankung mehr auf. Bezahlt
wurde per Überweisung vom Konto einer gewissen Elvira Blank.«
»Sehr gut. Damit können
wir also eine Gefährdung der Freier ab dieser Zeit ausschließen.
Sollte es sich um einen Fall von Rache handeln, wäre es eine mehr als
verspätete Reaktion. Von Malchow, Berns und Stankowiak, Sie klappern
noch einmal sämtliche Geschäfte, Kneipen und so weiter zwischen
Mulackstraße, Kleiner Rosenthaler und Linienstraße ab.
Vielleicht hat doch jemand den Mann gesehen, von dem Zylberstein,
Szylinski und der Junge gesprochen haben. Robert, hast du bei der anderen
Bordellwirtin nachgefragt, ob sie ebenfalls einen Anruf wegen Erna Klante
erhalten hat?«
Robert nickte. »Ja, es
war genau wie bei der Blank. Ein Mann rief an, der seinen Namen nicht
nannte und wissen wollte, ob sie noch dort arbeitet. Aber die Frau wusste
nicht, wo Erna in den letzten Jahren gewohnt hat.«
»Wir kommen der Sache näher.
Ich bin mir sicher, dass es sich bei dem Anrufer und dem Mann, den man im
Scheunenviertel mit ihr gesehen hat, um ein und denselben handelt. Und
auch bei dem eleganten Herrn, der den Jungen vor der ›Roten Hand‹
angesprochen hat. Dieses Phantom müssen wir aufscheuchen. An die
Arbeit, meine Herren.«
Als von Malchow, Berns und
Stankowiak aufstanden, rief Leo sie noch einmal zurück und hob die
Zeitung in die Höhe. »Eines noch: Sollte ich Beweise dafür
finden, wer das hier an die Presse gegeben hat, kann sich derjenige eine
neue Stelle suchen.«
Der Getreidehändler war
nicht allzu betroffen, als er von Erna Klantes Tod hörte. Da er
selten Zeitung las, hatte er noch nicht von dem Verbrechen erfahren.
»Noch Kaffee, Herr Kommissar?«
Leo nickte. Guter Kaffee war
heutzutage schwer zu bekommen, und es traf ja keinen Armen. Gustav
Blatzheims Wohnung war teuer, wenn auch mit wenig Geschmack eingerichtet.
Er hatte Leo in ein Privatbüro geführt, in dem sich schwere
Mahagonimöbel mit glänzenden Messingbeschlägen drängten.
Der ganze Raum wirkte ein wenig beengt, aber Leo musste ja nicht darin
arbeiten. Er ließ den Blick über die Bilder an den Wänden
wandern. Landschaft mit Hirsch, stiller Waldsee, das übliche Zeug. Er
nahm einen Schluck Kaffee.
»Wann haben Sie Erna
Klante zuletzt gesehen?«
»Moment, das war . . .«
Blatzheim schlug in einem Tischkalender nach, »vor etwa drei Wochen.
Danach war ich längere Zeit auf Geschäftsreise.«
»Waren Sie am 24.
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