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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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entdeckte er den fast
     unsichtbaren Einschnitt ganz oben in dem Papier, mit dem der Deckel
     beklebt war. Vorsichtig schob er einen flachen Brieföffner hinein und
     zog ein Blatt Papier heraus. Hauchdünn, wie Durchschlagpapier. Und
     beidseitig beschrieben.
    Gespannt schob er alles
     beiseite und legte das Blatt vor sich hin. Leider war die Schrift schwer
     zu erkennen, der Bleistift war ziemlich blass und das Papier so dünn,
     dass die Schrift auf der Rückseite durchschimmerte. Diese
     Aufzeichnungen waren gewiss nur für Sartorius persönlich
     bestimmt gewesen.       
    Leo spürte ein Kribbeln
     im Rücken. Solche Augenblicke waren alles andere wert, die mühseligen
     Nachforschungen, die Laufarbeit, die langwierigen Befragungen verstockter
     oder allzu gesprächiger Zeugen.
    Er nahm sich das erste Blatt
     vor, legte einen Notizblock daneben und fing an, das Geschriebene mühsam
     zu entziffern und auf den Block zu übertragen.
    V. D. – sxl. aa.,
     mas. Ng., Pt., exz. Wg., 6 Bhdl.,
    Dann folgten mehrere Daten,
     die vermutlich für die Behandlungstermine standen. Er schlug im
     Terminkalender nach. Sie stimmten mit den Tagen überein, an denen V.
     D. als Patient eingetragen war.
    Nicht nur, dass Sartorius die
     Aufzeichnungen versteckt hatte, sie waren auch noch durch Abkürzungen
     kodiert. Er schob sich die Haare aus der Stirn und stützte das Kinn
     in die Hand. Sxl. stand vermutlich für
     sexuell, aber was bedeutete aa ? Und mas. Ng. ? Er lehnte sich zurück und
     klopfte mit dem Stift gegen die Zähne. Eines stand fest: Auf diesen
     Blättern hatte Sartorius Informationen über Patienten gesammelt,
     die nicht öffentlich werden sollten. Oder die er für
     irgendwelche Zwecke benötigte. Erpressung? Nicht ausgeschlossen.
    Welches Wort, das zwei a
     enthielt, passte zu sexuell? Dann fiel es ihm ein: abartig, sexuell
     abartig. Das kam hin. Aber welche abartige sexuelle Spielart war gemeint? Mas. Ng. , Neigung, das war es, und mas. – wie hieß gleich der
     Begriff, den der Psychiater Krafft-Ebing geprägt hatte? Leo hatte
     einmal einen kriminalwissenschaftlichen Vortrag über sexuelle
     Perversionen gehört – ja, masochistisch, so lautete der
     Ausdruck. Dieser Patient ließ sich also quälen.
    Dann stand Pt. wohl für Peitsche und exz. Wg. – das war schwieriger.
     Exzentrisch, exzessiv, das könnte stimmen. Und Wg. ? Würgen? Gab es so etwas?
     Denkbar war alles. Warum war V. D. zu Sartorius gegangen? Um sich von
     seinen, oder ihren, verhängnisvollen Neigungen kurieren zu lassen?
     Wenn Sartorius das gekonnt hatte, musste er in der Tat ein Wundertäter
     gewesen sein. Doch wenn sich jemand mit einer derartigen Neigung Sartorius
     anvertraut und dieser das Geständnis womöglich finanziell
     ausgenutzt hatte, bedeutete dies eine ganz neue Richtung für ihre
     Ermittlungen.
    Verdammt, und dabei ging der
     Fall Klante nicht voran. Er würde Berns, Stankowiak und von Malchow
     dafür abstellen müssen und mit Robert die Sartorius-Sache wieder
     aufrollen.
    Weiter zu P. W. Diesmal war
     Sartorius vom bisherigen Kode abgewichen. Ob er ihn zu durchschaubar
     gefunden hatte? Hier standen nur wirre Buchstabenreihen. Gleiches galt für
     die Aufzeichnungen zu M. E. Ein Kode. Doch irgendwo musste ein Schlüssel
     existieren. Und er würde ihn finden.
    »Herr Edel? Das ist
     aber eine Überraschung. Unser Mädchen ist gerade im Küchengarten,
     deshalb öffne ich selbst die Tür. Bitte kommen Sie in den Salon.«
    Frau Cramer blickte ein wenig
     verwundert über die Schulter, als sie den unerwarteten Besucher in
     den Salon führte. Sie hatte ihn nur einmal bei sich empfangen und
     danach zwei- oder dreimal bei gesellschaftlichen Anlässen getroffen.
     Warum erschien er jetzt ohne Vorankündigung in ihrem Haus?
    Sie bot ihm einen Platz an
     und ging kurz in die Küche, um Tee zu bestellen. In der Eingangshalle
     begegnete sie Viola, die gerade mit Peter Cornelissen von einem
     Spaziergang heimkam.
    »Wir haben Besuch,
     Viola«, sagte sie mit einem Schulterzucken und einer Kopfbewegung
     hin zum Salon. »Herrn Max Edel, den Fabrikanten.«
    Viola legte ihren leichten
     Sommermantel auf einen Stuhl und schaute ihren Begleiter an. »Was
     will der denn hier?«
    »Das weiß ich
     noch nicht. Ihr könnt gleich zu uns hereinkommen und ihn begrüßen.«
    Mit diesen Worten kehrte sie
     zu Max Edel zurück, der sich in einem Sessel niedergelassen und die
     Beine übereinander geschlagen hatte.
    »Meine

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