Leo Berlin
Q
O – R
P – S
Q – T
R – U
S – V
T – W
U – X
V – Y
W – Z
X – A
Y – B
Z – C
Wie simpel. Jeder Buchstabe
war einfach durch den jeweils dritten nachfolgenden Buchstaben des
Alphabets ersetzt worden. Auf den ersten Blick entstanden dabei Wortungetüme
wie DQVWHFNXQJ, das sich jedoch mühelos als ANSTECKUNG entschlüsseln
ließ. Gewiss wären sie bei längerem Überlegen auch
von allein darauf gekommen. Die Häufigkeit der einzelnen Buchstaben
ließ immerhin Rückschlüsse zu. E war der häufigste
Buchstabe im Deutschen, also musste man zunächst nach seiner
Entsprechung suchen. Dann hätte Leo sich den Weg in die Wohnung
sparen können. Andererseits stimmte das auch nicht so ganz. Eine
erneute Durchsuchung der Wohnung war ohnehin erforderlich, da sie dort womöglich
weitere Unterlagen zu den Erpressungsversuchen finden würden. Geheime
Konten, Schließfächer mit Bargeld, was mochte ihnen wohl alles
entgangen sein? Sartorius war erstaunlich wohlhabend gewesen.
Er nahm sich einen
Notizblock, schrieb den ersten Absatz zu M. E. ab und den Klartext
daneben.
HQGVWDGLXP VBSKLOLV,
DQVWHFNXQJ EHL ERUGHOOEHVXFK, QHXQCHKQ HOI, DXI JXWHQ UXI EHGDFKW.
ENDSTADIUM SYPHILIS,
ANSTECKUNG BEI BORDELLBESUCH, NEUNZEHN ELF, AUF GUTEN RUF BEDACHT.
Verdammt. Er schlug mit der
flachen Hand auf das Heft. Gleich beim ersten Versuch. Leo hatte Recht
gehabt. Das hier konnte die Verbindung zwischen den beiden Mordfällen
sein. 1911, Ansteckung im Bordell bei Erna Klante, später irgendwann
eine Konsultation bei Sartorius, dann die Erpressung. Der Mann war auf
seinen Ruf bedacht und konnte sich die Behandlung bei einem Heiler
leisten, was auf eine gewisse gesellschaftliche Stellung schließen
ließ. So weit, so gut.
NUDQNKHLW ZHLW
IRUWJHVFKULWWHQ.
KRANKHEIT WEIT
FORTGESCHRITTEN. Er spürte, er kam der Sache näher. Und beim nächsten
Satz wusste er Bescheid.
VWDUUH SXSLOOHQ.
STARRE PUPILLEN.
In der Zeitung stand
nichts. Das beunruhigte ihn. Ein Polizistenmord wäre gewiss eine
Meldung wert gewesen. Entweder hatte man Wechsler noch nicht gefunden
– oder er war nicht tot. Er schaute auf seine bloßen Hände,
sah nicht die verhassten Flecken, nur das Zittern. Bislang hatte er nicht
gezittert. Doch hatte er bislang auch keine Angst verspürt.
Auf einmal fühlte er
sich in seinem eigenen Haus nicht mehr sicher. Die Wände schienen
Augen zu haben, im Korridor knarrten die Dielen. Er spähte hinaus.
Niemand zu sehen.
Unbewusst rieb er sich den
rechten Arm. An das taube Gefühl hatte er sich beinahe gewöhnt,
ab und zu schien ein Puppenarm von seiner Schulter zu baumeln. Er trat vor
den Spiegel neben dem Rollsekretär. Seine Augen – was war mit
seinen Augen? Er ging näher heran. Die rechte Pupille war auf einmal
viel größer als die linke. Zögernd führte er die Hand
ans Gesicht und strich darüber, als wäre er nicht sicher, wem er
gegenüberstand.
Unschlüssig verharrte
er zwischen Sekretär und Tür. Dann schien ein Ruck durch seinen
Körper zu gehen. Noch war er nicht am Ende.
Rasch hatte er im
Ankleidezimmer einen kleinen Koffer gepackt. Er verließ das Haus,
ohne dass ihn die Haushälterin und die anderen Dienstboten bemerkten,
ging in die Garage, packte den Koffer ein. Schon rollte der Delage die
Einfahrt hinunter auf die Straße.
Robert konnte in dieser Nacht
kaum schlafen. Am nächsten Morgen fuhr er in aller Frühe ins Büro
und holte die Unterlagen der beiden Fälle, worauf er sich ins
Krankenhaus Moabit begab. Auf sein Drängen hin ließ man ihn zu
Leo, der mit einem dicken weißen Pflaster an der Schläfe im
Bett lag und ziemlich gereizt wirkte. Man hatte ihm ausnahmsweise ein
Einzelzimmer gegeben, da vorerst nichts von dem Mordversuch an die Öffentlichkeit
dringen sollte.
»Die wollen mich nicht
rauslassen«, lautete die empörte Begrüßung. Dann
besann er sich. »Schön, dich zu sehen, Robert. Du siehst so
begeistert aus.«
»Bin ich auch. Aber erzähl
erst, wie es dir geht.«
Leo deutete auf seinen Kopf.
»Leichte Gehirnerschütterung, die Kopfschmerzen sind beinahe
weg. Und ich liege dumm herum. Die Stichwunde hier links – es war
übrigens ein gewöhnliches Taschenmesser, meint der Arzt –
ist halb so schlimm. Nicht sonderlich tief, hat bloß ziemlich
geblutet.«
»Die Ärzte werden
mich erschlagen, wenn ich dir sage, was ich dir zu
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