Leo Berlin
von Malchow
zum Schweigen zu bringen, und setzte sich lesend auf die Bettkante. Als er
fertig war, sah er hoch. »Wissen Sie eigentlich, was diese Aussage
bedeutet?«
Von Malchow antwortete mit
einem Achselzucken.
»Max Edel, der Viola
Cramer diesen seltsamen Heiratsantrag gemacht hat und am 4. Juni in der Nähe
des Tatorts gesehen wurde, ist vermutlich unser Mörder.«
»Wie bitte?«
»Hier.« Leo
berichtete kurz von den verschlüsselten Unterlagen und zeigte von
Malchow die Übersetzung. Er hörte, wie dieser scharf einatmete
und sah, dass er ganz blass geworden war. »Was ist los, von Malchow?
Soll ich das Fenster öffnen?«, fragte er ein wenig ironisch.
Doch von Malchow fuhr sich
statt einer Antwort mit dem Finger in den Kragen, als wäre er plötzlich
zu eng geworden. »Verdammt«, sagte er leise und wandte sich
ab.
»Sagen Sie mir bitte,
was los ist.«
Von Malchow drehte sich um,
und zum ersten Mal sah Leo in seinen Augen echtes Gefühl, eine
Mischung aus Scham und Furcht. »Ist Ihnen denn nicht klar, was das
bedeutet? Der junge Kerl damals in Elviras Bordell, das war Edel. Und ich
war dabei. Ich war an dem Abend guter Stimmung und fand die Sache einfach
lustig. Ich habe die Jungs noch angespornt, hab dieser Erna sogar einen
Schein ins Mieder gesteckt.« Er hob hilflos die Hände. »Und
das arme Schwein hat sich bei seinem ersten Mal mit Syphilis angesteckt.«
Leo spürte, dass von
Malchow tatsächlich erschüttert war. »Das konnten Sie
nicht wissen. Und die anderen auch nicht.«
»Natürlich nicht,
aber . . .« Er überlegte. »Dann bin ich vor dem Haus also
mit ihm zusammengestoßen? Ich habe ihn nicht erkannt.«
»Es ist ja auch lange
her. Falls Sie ihn tatsächlich nur dieses eine Mal gesehen haben.«
»Was wollen Sie damit
andeuten, Herr Kommissar?«
»Ich deute gar nichts
an. Wenn Sie mir gegenüber erklären, dass dies die einzige
Begegnung zwischen Ihnen und Max Edel war, glaube ich das, Schluss, aus.«
»Werden Sie ihn
verhaften?«
»Selbstverständlich.
Wir sollten auch das Haus der Cramers unter Beobachtung stellen. Womöglich
taucht er noch einmal dort auf. Wenn er geisteskrank ist, kann er den
Damen durchaus gefährlich werden.«
Von Malchow nickte. »Wer
übernimmt in Ihrer Abwesenheit die Leitung der Kommission?«
»Niemand. Walther ist
in meine Wohnung gefahren, um mir Kleidung zu holen. Ich verlasse noch
heute das Krankenhaus.«
»Aber was sagen die
Ärzte dazu? Es ist doch erst einen Tag her«, meinte von Malchow
fassungslos. »Wie Sie da gelegen haben –«
»Ich werde nicht hier
im Bett bleiben und zusehen, wie der Fall ohne mich abgeschlossen wird«,
sagte Leo ohne Rücksicht darauf, dass man ihm diese Haltung durchaus
als persönliche Eitelkeit auslegen konnte. Es interessierte ihn
nicht, was von Malchow von ihm dachte. Kein Kriminalbeamter, der etwas auf
sich hielt und aufrecht stehen konnte, würde untätig zusehen,
wie man einen spektakulären Fall ohne ihn zu Ende brachte.
In diesem Moment klopfte es,
und Robert kam mit einem Anzug und weiteren Kleidungsstücken über
dem Arm herein. Er sah von Malchow überrascht an und grüßte
ihn knapp.
»Wie sieht es im Büro
aus?«, erkundigte sich Leo.
»Nichts Neues. Berns
wartet im Wagen.«
»Gut. Von Malchow,
haben Sie Walther bereits von der Aussage der Damen Cramer berichtet?«
»Nein.« Er
brachte Robert auf dem Flur auf den neuesten Stand, während Leo sich
drinnen anzog. Als er mit dem Mantel über dem Arm aus dem
Krankenzimmer trat, kam gerade der behandelnde Arzt vorbei und blieb
abrupt stehen.
»Können Sie mir
verraten, was Sie da machen, Herr Wechsler?«, fragte er streng.
»Ich entlasse mich aus
dem Krankenhaus, Herr Doktor.«
»Das kann ich
keinesfalls verantworten. Sie sind gestern in einem ernsten Zustand
eingeliefert worden und müssen sich erst von der Gehirnerschütterung
und dem Blutverlust erholen. Bitte gehen Sie wieder in Ihr Zimmer.«
»Tut mir leid.«
Leo zog die Tür hinter sich zu. »Ich habe dienstlich zu tun.«
»Wenn Sie dieses
Krankenhaus verlassen, tun Sie das auf eigene Gefahr. Sie sollten etwas
vorsichtiger mit Ihrer Gesundheit umgehen. Guten Tag.« Mit diesen
Worten ließ er Leo unvermittelt stehen.
»Ich muss noch zu Marie«,
sagte Leo. Robert bemerkte, dass er leicht das Gesicht verzog und fragte,
ob er nicht doch lieber einen Tag
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