Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes (Da Vincis Fälle) (German Edition)
sich so nennen, noch so gut wie gar nichts über diese Krankheit herausgefunden haben!“
„Könnte es nicht sein, dass diejenigen, die es versucht haben, dabei umgekommen sind?“, antwortete Gianna spitz.
Die Leute von Vinci stellten abwechselnd eine der Mahlzeiten für Alberto zusammen. Der Pfarrer beteiligte sich daran, Carlos Großvater und noch einige andere. Leonardo brachte die jeweilige Mahlzeit dann mit einem Korb in die Nähe der Scheune, an die er nur bis auf Rufweite herankommen sollte.
„Alberto!“, rief er dann. Und manchmal musste er mehrmals ver-geblich rufen, ehe sich Alberto dann endlich zu Wort meldete.
„Stell es einfach auf den Boden“, sagte er dann zumeist.
Leonardo versuchte, dem Jungen noch ein paar Fragen zu stellen.
Dass niemand ihn genauer untersucht hatte, weil es so gefährlich war, verstand er ja. Was er nicht begreifen konnte, war, dass Alberto eigentlich auch niemand wirklich genauer befragt hatte.
Oder konnte es gar eine Krankheit geben, die sich durch Worte übertrug? Das konnte sich Leonardo eigentlich nicht vorstellen.
„Alberto, sag mal hast du auch diese beulenartigen Geschwüre?
Mein Großvater hat mir erzählt, dass die typisch für den Schwarzen Tod wären.“
„Du hast mich doch gesehen – und dir müssen doch auch die Zeichen des Todes aufgefallen sein.“
„Ja, dein Gesicht sah nicht so gut aus. Aber so richtige Beulen habe ich da nicht gesehen. Deshalb frage ich, ob du vielleicht welche am Körper hast? Und falls das der Fall sein sollte – vielleicht könntest du dann mal draufdrücken und nachsehen, ob vielleicht eine Flüssigkeit herauskommt.“
„Verschwinde einfach, damit ich mir das Essen holen kann!“, rief Alberto. „Leide ich etwa nicht genug? Soll ich mir jetzt noch auf die Geschwüre drücken, um mich noch mehr zu strafen? Das kann doch nicht dein Ernst sein…“
Leonardo hatte Alberto eigentlich noch erklären wollen, warum er das alles wissen wollte und dass es doch auch sein konnte, dass Alberto gar nicht an der Pest erkrankt war und sich alle geirrt hatten!
Deswegen kam es auf diese Einzelheiten an.
Aber Alberto gab Leonardo einfach keine Antwort mehr.
Leonardo ließ zunächst nicht locker.
„Alberto, vielleicht kann man dir ja doch noch helfen. Ich will ja gerne alles dafür tun, um dich zu retten, aber dann musst du auch mir helfen!“
Die einzige Antwort bestand darin, dass Alberto bitterlich an zu weinen fing. Es war zum Stein erweichen. Leonardo konnte natürlich gut verstehen, dass der Bettlerjunge verzweifelt war. Schließlich war es so gut wie sicher, dass er bald sterben würde und Leonardo war realistisch genug, um zuzugeben, dass es sehr unwahrscheinlich war, dass man dem Jungen noch helfen konnte.
Ohne Hoffnung und allein – das war wirklich Grund genug, um bitterlich zu weinen.
Und doch kam Leonardo dieses Weinen irgendwie seltsam vor. Er konnte nicht genau sagen, weshalb eigentlich. Es hatte einfach einen seltsamen Klang und er konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen anderen, auf diese besondere Weise weinen gehört zu haben.
Aber dann zuckte er die Schultern.
Er spricht ja auch eigenartig!, dachte er. Schon die Art und Weise in der er Vater und mich auf dem Weg von Florenz nach Vinci ange-
sprochen hat, war eigenartig! So übertrieben… Warum sollte so einer nicht auch auf seltsame Weise weinen?
Das waren die Gedanken, die Leonardo so durch den Kopf gingen, während Albertos Weinen in ein leises Wimmern überging.
„Da bin ich schon todkrank und komme jetzt noch nicht einmal an mein Essen, weil du da immer noch herumstehst!“, rief Alberto schließlich.
Leonardo seufzte. „Ich gehe ja schon“, murmelte er und entfernte sich notgedrungen.
Als er bereits die halbe Strecke zum Dorf zurückgelaufen war, kam Alberto aus der Scheune und holte sich den Korb, den Leonardo ihm hingestellt hatte.
Die nächsten Male, da Leonardo dem todkranken Alberto das Essen brachte, gab dieser überhaupt keine Antwort. Selbst, wenn Leonardo ihn mehrfach ansprach und bat, sich doch mit ihm zu unterhalten und auf diese oder jene Frage eine Antwort zu geben.
Alberto schwieg eisern.
Zuerst befürchtete Leonardo schon, dass es Alberto inzwischen zu schlecht ging und der Schwarze Tod seinem Leben vielleicht schon ein Ende bereitet hätte.
Aber als er später sah, wie Alberto sich den Korb holte, wusste er, dass diese Sorge unbegründet war.
4. Kapitel
Der Mann mit den Mumien
Ein paar Tage vergingen und
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