Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes (Da Vincis Fälle) (German Edition)
mit dem Jungen aus Vinci!“, rief eine andere Frau. „Der Schwarze Tod mag dann an uns vorübergehen!“ Sie bekreuzigte sich daraufhin.
„Geht nur – und mich Unglücklichen lasst allein sterben!“, rief Alberto. „Oh, warum hat mich der Herr so gestraft, dass ich den Schwarzen Tod zu euch gebracht habe…“
„Sieh zu, dass du fortkommst und uns nicht alle ansteckst!“, rief nun ein Mann, der neben dem Haus von Carlos Eltern in einem kleinen Gebäude lebte und sein Geld verdiente, indem er als Schlachter von Hof zu Hof zog. Er hieß Alessio und war ein großer Mann mit sehr kräftigen Armen, die er vor der Brust verschränkt hatte.
„Wie kannst du so reden, Alessio!“, erhob sich da die gestrenge Stimme des Pfarrers, der ebenfalls zum Ort des Geschehens geeilt war. „Jesus hat sich um die Aussätzigen gekümmert – und du willst diesen armen Jungen davon jagen! Wo ist deine Nächstenliebe?“
„Jesus konnte die Aussätzigen aber auch heilen“, sagte der Schlachter. „Aber wir sind gegen den Schwarzen Tod machtlos. Er wird uns einen nach dem anderen holen. Niemand wird mehr in dieses Dorf kommen oder Leute aus diesem Dorf empfangen wollen.
Kein Bauer wird mich als Schlachter holen oder Maldinis Waren kaufen…“
„Der Junge muss das Dorf verlassen“, nickte eine der Frauen.
„Jawohl!“, sagte eine andere. „Und zwar so schnell wie möglich.“
Viele redeten jetzt durcheinander. Alberto stöhnte noch einmal zum Steinerweichen. Er hielt sich nacheinander alle möglichen Körperstellen und der Pfarrer wagte sich immerhin bis auf zwei Schritte an den Betteljungen heran, machte das Kreuzzeichen und sprach dann ein tröstliches Gebet.
Ein Reiter näherte sich, wurde aber von den anderen kaum bemerkt.
Es war Leonardos Vater.
Ser Piero machte sein Pferd an der Querstange vor Großvaters Haus fest und gesellte sich dann zu den anderen.
Leonardo schritt jetzt beherzt auf Alberto zu und näherte sich sogar noch etwas weiter als der Pfarrer.
Bis auf einen Schritt kam er an ihn heran.
„Leonardo!“, stieß sein Großvater hervor.
Als Leonardo noch klein gewesen war und bei seiner Mutter Catarina gelebt hatte, war er einmal so schwer krank gewesen, dass schon der Pfarrer gekommen war, um bei ihm die letzte Ölung durchzuführen. Er hatte so hohes Fieber gehabt, dass er manchmal gar nicht mehr gewusst hatte, ob er wach war oder schlief und träumte. Niemand hatte ihm helfen können. Und später konnte man weder sagen, was ihn krank gemacht hatte, noch weshalb er gesund geworden war.
Seitdem hatte sich Leonardo für den Aufbau und die Funktionsweise von Körpern interessiert – sowohl von Menschen, als auch von Tieren. Sein Onkel Francesco, der viel über die Natur wusste, hatte ihm mal gesagt, dass man dann krank würde, wenn etwas im Körper nicht richtig funktionierte. Aber stimmte das wirklich? Konnte man nicht eher durch einen Fluch oder wegen einer Sünde und schlechter Taten krank werden, wie die meisten Menschen glaubten?
Leonardo hatte sich damals vorgenommen, auch dieser Frage irgendwann einmal auf den Grund zu gehen. Das war einer der Gründe dafür, weshalb er tote Tiere gesammelt und aufgeschnitten hatte. Er wollte wissen, wie sie im Inneren funktionierten. Denn wenn man das bei Tieren herausgefunden hatte, wäre es vielleicht nicht mehr so schwierig, dass auch beim Menschen zu erkennen, so sein Gedanke.
Und nun hatte er die einmalige Möglichkeit, Geschwüre des Schwarzen Todes aus nächster Nähe zu sehen! Natürlich tat Alberto ihm auch Leid und er wünschte sich, im helfen zu können. Aber es war auch eine ungeheuer starke Neugier in ihm, die ihn jede Vorsicht vergessen ließ.
„Bleib wo du bist, du Unglücklicher!“, rief Alberto. „Für mich kann niemand mehr etwas tun. Bete für meine Seele! Bete dafür, dass ich ohne viele Qualen in den Himmel komme, denn ich bin zwar arm, aber ein guter Christenmensch von reinem Herzen!“
Ein Raunen ging durch die Menge.
„Wir wissen doch noch gar nicht, ob du wirklich unter dem Schwarzen Tod leidest!“, rief Leonardo.
„Siehst du denn ich, wie der Tod in mein Gesicht geschrieben worden ist?“, rief Alberto.
Ser Piero war inzwischen bei ihm und zog ihn zurück.
„Nicht so nah, Leonardo.“
„Ich bin doch noch weit genug weg und habe ihn gar nicht berührt. Und man muss ihn erst genau untersuchen, bevor man wirklich sagen kann, was ihm fehlt!“
„Vielleicht ist ja dein Vater bereit, das Geld zu bezahlen, das man
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