Leonardos Drachen
profitieren, Leonardo.“
„Wieso das?“
Botticelli grinste. „Unser Meister wird dich in Zukunft nicht nur die Gesichter, sondern notgedrungen wohl auch noch die Ärsche malen lassen – und wenn du dann auch noch die Füße übernimmst, bist du für ihn unentbehrlich!“
Eingelöste Versprechen
D er Arbeitstag war eigentlich schon zu Ende, aber Meister Andrea hatte die unangenehme Eigenschaft, seine Lehrlinge und Gesellen dazu anzutreiben, noch länger an den Staffeleien zu sitzen. „Es muss fertig werden!“, war einer seiner Lieblingsaussprüche.
Es war früher Abend, als ein Pferdewagen vor der Werkstatt hielt. Ein Mann, der mit Harnisch, Schwert und Parierdolch ausgerüstet war, trat ein. Darüber trug er einen Umhang. Leonardo glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
Es war Niccolo, einer der Söldner des Herrn de’ Medici.
Er erkannte Leonardo sofort, ging mitten durch die Staffeleien und riss dabei beinahe eine mit seinem schweren Umhang zu Boden. „Deinetwegen bin ich hier, Leonardo!“
„Was gibt es?“
„Ich soll dich in den Palast bringen. Herr de’ Medici empfängt dort einige wichtige Persönlichkeiten der Stadt und er wünscht ausdrücklich, dass du dabei bist!“ Niccolo schaute sich um. Die Blicke der Lehrlinge und Gesellen waren allesamt auf ihn gerichtet. Das galt natürlich auch für Meister Andrea, dem einen Augenblick lang der Mund offen stehen blieb, eher er schließlichherausbrachte: „Ihr seid hier in einer Werkstatt, werter Herr! Und hier wird gearbeitet! Was fällt Euch ein, einen angehenden Maler daran zu hindern, seine Arbeit zu tun?“
„Mein Lehrherr meint das nicht so barsch“, erklärte Leonardo.
Niccolo runzelte die Stirn. „Haben die Glocken des Doms nicht schon vor einer Weile geschlagen?“, fragte er. „Das Hämmern in den Schmieden hat jedenfalls aufgehört und auch sonst scheint in den anderen Werkstätten nirgends mehr gearbeitet zu werden.“
„Wer seid Ihr, dass Ihr Euch da einmischen wollt?“, empörte sich Meister Andrea.
„Mein Name ist Niccolo aus Pisa und es schickt mich kein Geringerer als der Herr unserer Stadt, Piero de’ Medici persönlich! Er will diesem Jungen seinen Dank aussprechen, weil er ihn so mutig vor den Banditen gewarnt hat, die ihn überfallen wollten.“
Meister Andrea runzelte die Stirn und sah Leonardo nur fassungslos an. „Du warst das? Herr Vespucci erzählte doch davon …“
„Meister, Ihr habt mir zugesagt, dass ich jederzeit gehen kann, wenn mich eine Audienz des Stadtherrn erwartet“, erklärte Leonardo mit großem Ernst. „Und ich habe keinen Zweifel, dass Ihr Euch an Eure Zusage halten werdet!“
L eonardo folgte Niccolo. Draußen wartete eine Kutsche. Als er einstieg, stellte er überrascht fest, dass Clarissa darin saß. Sie hatte ihr bestes Kleid angezogen, dassie sonst nur zur Kirche trug. Neben ihr saß Leonardos Stiefmutter Melina. Sie hatte ein frisches Hemd und Leonardos bestes Wams auf dem Schoß.
„Was macht ihr denn hier?“, fragte Leonardo.
„Wir sind auch eingeladen, und die Männer des Stadtherrn waren zuerst bei uns zu Hause. Dein Vater ist ja schon im Palast und hat dort offenbar so viel zu tun, dass er uns nicht selbst abholen kann.“
„Ich war schließlich auch dabei, als der Stadtherr gewarnt wurde!“, meinte Clarissa.
Niccolo setzte sich neben Leonardo und schloss die Tür der Kutschenkabine. „Los, Fuhrmann!“, rief er. Daraufhin trieb der Fuhrmann auf dem Kutschbock die Pferde an und der Wagen fuhr los.
Leonardo sah aus dem Fenster. „Einmal wie ein Stadtherr aus der Medici-Familie durch Florenz fahren – was für ein Gefühl!“, dachte er. Die Eselskarren und überladenen Handwagen, an denen man sonst kaum vorbeikam, machten bereitwillig Platz. Sie wussten natürlich, dass diese Kutsche einer der wichtigen Familien gehörte.
Und wer immer auch in Florenz in Zukunft noch seine Geschäfte machen wollte, tat gut daran, sich nicht mit den Medici anzulegen.
D er Palast der Familie Medici – der Palazzo – glich einer kleinen Burg innerhalb der Stadt. Er war von hohen Mauern umgeben und hatte mehrere große Gebäude. Die Kutsche fuhr durch das von bunt gekleideten und mit Hellebarden ausgerüsteten Söldnern bewachte Tor in den Innenhof.
Unterwegs hatte sich Leonardo die frischen Sachen übergezogen. Gerade, als sie das Hauptgebäude erreichten, schloss er noch die letzten Knöpfe an seinem Wams.
Dann stiegen sie aus. Niccolo geleitete sie die Stufen zum
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