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Léonide (German Edition)

Léonide (German Edition)

Titel: Léonide (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Schaefer
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Seine Kleidung trieft vor Nässe, genauso seine Schuhe und sein Mantel. Für einen Augenblick verharre ich reglos und starre ihn an, als sähe ich ihn zum ersten Mal.
    Hinter mir macht meine Tante auf sich aufmerksam. »Nun steht doch nicht so unschlüssig in der Tür herum . « Das ist wohl hauptsächlich an mich gerichtet.
    Frédéric lächelt, und ich trete zur Seite. »Es ist schön, Sie wiederzusehen, Léonide.«
    Ich lächle und nehme ihm die nassen Sachen und seinen Koffer ab, ehe ich ihn Adélaïde vorstelle.
    »Sehr erfreut«, sagt Frédéric und reicht auch ihr die Hand. »Frédéric Géroux, aber das hat Ihnen Léonide sicher schon e r zählt.«
    Das Lächeln auf Adélaïdes Lippen ist nur einen Hauch sü f fisant, doch er entgeht mir nicht. »Das hat sie, aber mehr konnte ich, um ehrlich zu sein, nicht aus ihr herauskitzeln.«
    Er grinst. »Tatsächlich? Sie ist schon eine Geheimniskräm e rin, unsere Léonide.«
    Unsere Léonide?
    »Wenn ihr euch gegen mich verbünden wollt, nur zu. Ich bin viel zu erleichtert darüber, dass Frédéric wohlauf ist, um mich daran zu stören.«
    »Erleichtert?«, wiederholt Frédéric. Dann bricht er in Lachen aus. »Léonide, das ist nur ein Gewitter, nicht die Apokalypse!« Als er meinen Gesichtsausdruck bemerkt, wird seine Miene etwas weicher. »Warum machen Sie sich Sorgen um mich? Die sollte ich mir um Sie machen.«
    »Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen. Überhaupt halte ich die Ansicht, es sei die Aufgabe der Männer, ihre Frauen, Töchter oder Geliebten vor allerlei Gefahren zu b e schützen, für absolut vorsintflutlich.«
    Frédéric neigt den Kopf, aus seinen Augen blitzt eindeutig der Schalk. »Und zu was davon zählen Sie sich, Léon i de?«
    Ich bin so vor den Kopf gestoßen, dass ich es versäume, ihm zu antworten. Das Blut schießt mir ins Gesicht – nicht nur aus Scham, sondern auch vor Zorn darüber, dass er sich über mich lustig macht, noch dazu in Anwesenheit meiner Tante.
    Die aber hat unser Gespräch diskret überhört. Als sie b e merkt, dass der Wortwechsel beendet ist, wendet sie sich an Frédéric, als wäre nichts geschehen.
    »Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten? Oder möchten Sie ein Bad nehmen?«
    Er lächelt. »Eine Tasse Tee klingt hervorragend.«
     
    »Können wir uns unterhalten?«, frage ich, als Frédéric und ich uns später am Abend am Treppenabsatz im Obergeschoss über den Weg laufen.
    Frédéric führt mich ins anliegende Gästezimmer. Obwohl er sich bereits eingerichtet hat, zeugen lediglich sein Koffer auf dem Bett und seine feuchte Kleidung, die zum Trocknen über e i nem Stuhl vor dem Kamin hängt, davon, dass das Zimmer nicht unbewohnt ist.
    Frédéric bietet mir den einzigen freien Sessel an und setzt sich auf die Bettkante. Eigentlich will ich ihn auf seine B e merkung im Flur ansprechen, doch er durchbricht die Stille als Erstes und die Gelegenheit verstreicht.
    »Was haben Sie herausgefunden?«
    Sein neugieriger, beinahe ungeduldiger Blick verunsichert mich. »Ich – ich glaube, ich bin Costantini begegnet.«
    Frédéric scheint alles erwartet zu haben, nur das nicht. »Costantini? Sind Sie sich sicher?«
    »Ja. Als ich ihn angesprochen habe, ist er geflohen. Ich habe ihn verfolgt, konnte ihn aber nicht einholen. Er … war zu schnell.« Davon, dass Costantini wie eine Eidechse die Mauer hinaufgeklettert ist, erzähle ich nichts – zu groß ist meine Angst, Frédéric könn t e mich für ebenso krank wie meinen Bruder halten.
    Er lacht ungläubig. »Sie haben ihn verfolgt ?«
    »Durch die Gassen von Beaucaire.«
    Frédéric seufzt. »Ich nehme an, das hätte ich mir denken können.« Seine braunen Augen sind unbeirrt auf mich geric h tet und mich durchläuft ein Schaudern. »Jemanden wie Sie gibt es wirklich kein zweites Mal, wissen Sie das, Léonide?«
    Ich lache. »Das hoffe ich . «
    Das Kaminfeuer knackt und knistert und für einen Auge n blick gebe ich mich der Vorstellung hin, einen Ort gefunden zu haben, an dem ich sicher bin und Willem ungestört gede n ken kann. Einen Ort, an dem es keinen Costantini gibt und kein vertrocknetes Brachland, das wie ein Höllenkreis in der Hitze einer südfranzösischen Sommersonne schwelt. Ich weiß, ich mache mir nur etwas vor; früher oder später werde ich Costantini finden und erfahren, warum Willem hat sterben müssen.
    Aber , flüstert eine innere Stimme mir zu, was genau willst du tun, wenn du Costantini gefunden hast? Blutige Rache ne h men? Mit ihm sprechen,

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