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Léonide (German Edition)

Léonide (German Edition)

Titel: Léonide (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Schaefer
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ihn mit Willems Tod konfrontieren? Sieh es ein, Léonide, deine Pläne sind nichts weiter als ein Versuch, Willems Tod von dir zu schi e ben. Ganz gleich, was Costantini mit alldem zu tun hat, das Wissen darum wird dir nicht helfen, ins Leben zurückzufinden.
    Plötzlich ist mir kalt, und ich schließe die Augen und spüre, wie mich eine Gänsehaut überkommt. Erst nach einer Weile blicke ich wieder auf.
    »Da ist noch etwas, Frédéric. Sie erinnern sich doch an Wi l lems Beerdigung. Ist Ihnen damals irgend etwas aufgefallen?«
    Frédéric runzelt die Stirn. » Sollte mir etwas aufgefallen sein?«
    Ich beiße mir auf die Lippen. Das hier wird nicht einfach werden.
    Frédéric wartet mit hochgezogenen Augenbrauen. »Was, Léonide?«
    »Willem – sein Leichnam – hatte Sand an den Händen, Frédéric. Roten Sand .« Meine Zunge stolpert beinahe über ihre eigenen Worte . Es ist heraus. Ganz gleich, was er von mir hält, es ist heraus und kann nicht zurückgenommen werden. Glaubt er mir? Ve r steht er, worauf ich hinauswill?
    »Roten Sand?« In Frédérics Augen arbeitet es und er runzelt die Stirn, wie immer, wenn er nachdenkt. »Aber … « Plötzlich tritt ein Licht in seine Augen, und er wirft mir einen langen, fo r schenden Blick zu.
    »Roussillon«, sagt er.
    »Ja. Roussillon – aber das ist mir erst vor ein paar Tagen b e wusst geworden.«
    Frédérics Gesichtsausdruck bleibt neutral, sodass ich nicht beurteilen kann, was er von meiner Schlussfolgerung hält.
    »Das ist noch nicht alles.« Ich rutsche in meinem Sessel hin und her. »Bitte halten Sie m ich nicht für verrückt.«
    Frédéric schüttelt den Kopf, und mit einem Mal weicht seine Neutralität einer dunklen Tiefe, die mir Angst macht. »Nein. Sie glauben, das würde ich so einfach?«
    Ich weiche seinem Blick aus. »Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Ich befand mich auf einer Anhöhe, die Sonne brannte auf ein Dorf inmitten einer roten Felsenlandschaft. Die Lan d schaft war grün und rot, mit uralten Nadelbäumen und ausg e bleichten Sträuchern. Ich kannte den Ort aus Erzählungen und doch war er mir fremd. Ich betrat das Dorf und wandte mich der Kirche zu.«
    Frédéric nickt, doch in Gedanken scheint er weit fort zu sein, sein Blick erfasst alles und nichts.
    »In der Kirche traf ich Willem, nur, dass er sich nicht an mich erinnern konnte. Er kannte meinen Namen nicht, er ha t te sogar vergessen, dass er einmal ein Maler gewesen ist. Als wir aus der Kirche in die Sonne getreten sind, hat Willem e t was Sand vom Boden aufgenommen. Als er ihn wieder abg e klopft hat, waren seine Hände verfärbt – es war wie auf seiner Beerdigung.«
    »Aber – ich verstehe nicht, Léonide. Wo soll der rote Sand an Willems Händen denn hergekommen sein?« Ganz leise, beinahe unhörbar , fügt Frédéric hinzu: »Ich habe keinen Sand an seinen Händen gesehen.«
    Ich habe nicht damit gerechnet, dass Frédérics Zweifel mich derart treffen würden, ich habe es noch nicht einmal für mö g lich gehalten, dass er zweifeln würde. Das Gefühl ist eine u n barmherzige Faust, eine Kälte, eine Taubheit. Ich spüre, wie das Rot aus meinen Wangen weicht, werde mir der Schwäche meines Kö r pers überdeutlich bewusst.
    »Sie müssen mir glauben, all das muss einfach irgendetwas bedeuten . Es ist, als … als hätte Willems Geist mich in me i nem Traum besucht. Als woll t e er mir einen Hinweis g e ben.«
    Frédéric steht seufzend auf und beginnt, im Zimmer auf und ab zu schreiten. »Und nun glauben Sie, nach Roussillon reisen zu müssen?« Er hält inne, kommt zu mir herüber und nimmt meine Hand. »Sagen Sie mir nur eines, Léonide, und ich werde alles tun … « Er unterbricht sich, als fürchte te er, zu viel gesagt zu haben. »Sagen Sie mir, was Sie sich von alldem e r hoffen.«
    Ich weiß es nicht , will ich sagen, i ch verstehe es selbst nicht . Aber das tue ich nicht.
    »Alles, was ich will, ist verstehen, wie mein Br u der gestorben ist und was Costantini mit seinem Tod zu tun hat.«
    »Wäre es nicht einfacher, zu verzeihen? Weiterzumachen?«
    Dasselbe, was schon meine Tante gesagt hat. Vergessen. Weiterleben. In einem verborgenen Winkel meiner Gedanken ergeben die Worte Sinn, aber ich kann den Winkel nicht erre i chen, und die Worte verhallen ungehört.
    »Mein Bruder würde dasselbe für mich tun.«
    Frédéric sagt nichts, doch der Blick, den er mir zuwirft, spi e gelt die ganze Widersprüchlichkeit seiner Gedanken . Ve r ständnis und doch

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