Leopard
recht gut, nicht wahr?«
»Ah … ja.«
»Mikael Bellman, was wissen Sie über ihn?«
Harry blinzelte in die Sonne, die ins Zimmer strömte, und kniff die Augen zu. Er war gerade aufgewacht und brauchte ein paar Sekunden, um die Träume abzuschütteln und in die Wirklichkeit zurückzufinden.
Sie hatten die Schüsse gehört.
Und beim ersten Spatenstich den Skistock entdeckt.
Später hatten sie ihm erzählt, ihre größte Angst sei gewesen, von ihm getroffen zu werden, während sie sich zum Schornstein durchgruben.
Harrys Kopf schmerzte wie nach einer Woche Delirium. Er schwang die Beine aus dem Bett und sah sich in dem Zimmer um, das er im Gebirgshotel in Ustaoset genommen hatte.
Kaja und Kolkka waren mit dem Helikopter nach Oslo ins Reichshospital transportiert worden. Harry selbst hatte sich geweigert, doch erst als er zu einer Notlüge gegriffen und behauptet hatte, er habe die ganze Zeit über genug Luft verfügt, hatten sie ihn gewähren lassen.
Im Bad steckte Harry den Kopf unter den Wasserhahn und trank. »Wasser ist nie verkehrt und meistens sogar richtig gut.« Das hatte Rakel immer beim Essen gesagt, wenn sie wollte, dass Oleg sein Glas austrank. Er schaltete sein Handy zum ersten Mal ein, seit sie zur Hävasshütte aufgebrochen waren. Er hatte Empfang und entdeckte eine Sprachnachricht. Harry hörte sie ab, konnte aber nur ein Räuspern oder Lachen erkennen, bevor die Verbindung unterbrochen wurde. Er überprüfte die Nummer des Anrufers. Es war eine Handynummer, die er nicht zuordnen konnte, obgleich sie ihm irgendwie bekannt vorkam. Das Krankenhaus war es jedenfalls nicht. Der Betreffende würde sich schon wieder melden, wenn es wichtig war.
Im Frühstücksraum wartete Mikael Bellman wie eine einsame Majestät mit einer Tasse Kaffee. Vor ihm lag eine gelesene, zusammengefaltete Zeitung. Harry brauchte keinen Blick hineinzuwerfen, um zu wissen, was darin stand. Es ging sicher wieder seitenweise um den Fall und um die Hilflosigkeit der Polizei, wodurch der Druck noch weiter erhöht wurde. Dabei dürfte die Morgenausgabe noch nichts von Jussi Kolkkas Tod erfahren haben.
»Kaja geht es gut«, sagte Bellman.
»Hm. Wo sind die anderen?«
»Die sind mit dem Morgenzug nach Oslo gefahren.«
»Und Sie nicht?«
»Ich wollte auf Sie warten. Was meinen Sie?«
»Wozu?«
»Die Lawine. Ist die einfach so abgegangen?«
»Keine Ahnung.«
»Nicht? Haben Sie das Dröhnen gehört, bevor es losging?«
»Das kann das Schneebrett gewesen sein, das oben abgebrochen und auf den Hang gefallen ist.«
»Hört sich das Ihrer Meinung nach so an?«
»Ich weiß nicht, wie sich so was anhört. Auf jeden Fall hat dieser Laut die Lawine ausgelöst.«
Bellman schüttelte den Kopf. »Sogar erfahrene Berggänger glauben an den Mythos, dass Schallwellen Lawinen auslösen können. Ich war mit einem Lawinenexperten in den Alpen klettern, und der hat mir erzählt, dass die Leute da unten tatsächlich noch immer denken, all die Lawinen im Zweiten Weltkrieg wären durch die Kanonenschüsse ausgelöst worden. In Wahrheit werden Lawinen aber nur ausgelöst, wenn der Schnee direkt von einer Sprengladung getroffen wird.«
»Hm, und das heißt?«
»Wissen Sie, was das ist?« Bellman hielt ein kleines Stück blankes Metall zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Nein«, sagte Harry und signalisierte dem Kellner, der das Frühstücksbuffet abräumte, dass er eine Tasse Kaffee wollte.
»Wichtel und Zwerge graben aus die Berge«,
summte Bellman.
»Da muss ich passen.«
»Sie enttäuschen mich, Harry. Aber okay, vielleicht habe ich auch einen kleinen Vorsprung. Ich bin in den Siebzigern in Manglerud aufgewachsen, in einer Trabantenstadt, die in vollem Wachstum begriffen war. Ringsherum wurde Bauland erschlossen. Der Soundtrack meiner Kindheit war das Geräusch explodierender Dynamitladungen. Wenn nachmittags die Arbeit beendet war, bin ich im Sprenggebiet rumgelaufen und habe Kabelreste, rote Plastikkappen und das Papier der Dynamitstangen gesammelt. Kaja hat mir erzählt, dass die hier oben eine ganz spezielle Art zu fischen haben. Dynamit soll hier verbreiteter sein als Selbstgebrannter. Sagen Sie mir nicht, dass Ihnen dieser Gedanke nicht auch schon gekommen ist.«
»Okay«, sagte Harry. »Das ist also ein Stück von einer Sprengkapsel. Wann und wo haben Sie das gefunden?«
»Nachdem ihr gestern abtransportiert worden seid. Ich habe mit einigen Männern das Gelände inspiziert, in dem die Lawine sich gelöst hat.«
»Spuren?«
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