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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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angelegt.
    Ein Windstoß heulte hohl und düster durch die Schießscharten.
    »Warum weinst du?«, fragte er leise.
    »Weil es meine Schuld ist «, flüsterte sie, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Das ist alles meine Schuld. Und du hast es die ganze Zeit gewusst, stimmt’s?«
    Harry inhalierte. Nahm die Zigarette aus dem Mund und blies den Rauch in die Glut. »Nicht die ganze Zeit.«
    »Seit wann?«
    »Seit ich Bjørn Holms Gesicht im Türrahmen im Holmenveien gesehen habe. Bjørn ist ein hervorragender Kriminaltechniker, aber kein Schauspieler. Er war wirklich aufrichtig überrascht.«
    »Das war alles?«
    »Das war genug. Ich habe seinem Gesichtsausdruck angesehen, dass er keinen blassen Schimmer hatte, dass ich Leike auf der Spur war. Ergo konnte er es nicht auf meinem Computer gesehen und an Bellman weitergegeben haben. Und wenn nicht Holm der Maulwurf war, kam nur noch eine andere Person in Frage.«
    Sie nickte und wischte die Tränen weg. »Wieso hast du nichts gesagt? Nichts getan? Mir nicht den Kopf abgerissen?«
    »Und was hätte das genützt? Ich habe gedacht, dass du wohl einen guten Grund haben wirst.«
    Sie schüttelte den Kopf und ließ den Tränen freien Lauf.
    »Ich weiß ja nicht, was er dir versprochen hat«, sagte Harry. »Ich vermute mal, eine Topposition im neuen, allmächtigen Kriminalamt. Und dass ich recht hatte, als ich meinte, dass der Typ, an den du dein Herz gehängt hast, verheiratet ist und sagt, dass er seine Frau und die Kinder für dich verlassen will, es aber niemals tun wird.«
    Sie schluchzte leise, mit vornüberhängendem Kopf, als wäre er ihr zu schwer. Wie eine regenschwere Blüte, dachte Harry.
    »Ich verstehe nur nicht, wieso du mich heute Abend treffen wolltest«, sagte er mit einem missbilligenden Blick auf die Zigarette. Vielleicht sollte er die Marke wechseln. »Zuerst dachte ich, du wolltest mir beichten, dass du der Maulwurf bist. Aber mir war schnell klar, dass es das nicht ist. Warten wir auf jemanden? Passiert noch irgendetwas? Ich meine, ich bin raus aus dem Spiel, wie soll ich euch jetzt noch schaden?«
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. Zog die Nase hoch. »Können wir zu dir nach Hause fahren, Harry?«
    »Weshalb? Erwartet uns dort jemand?«
    Sie nickte.
    Harry leerte den Flachmann.
     
    Die Tür war aufgebrochen worden. Mit einer Brechstange, wie die Holzsplitter auf der Treppe verrieten. Kein Raffinement, kein bisschen List und Tücke. Ein typischer Polizeieinbruch.
    Harry drehte sich zu Kaja um, die mit vor der Brust verschränkten Armen neben dem Auto stehengeblieben war. Dann ging er hinein.
    Das Wohnzimmer lag im Dunkeln, das einzige Licht kam von dem offenstehenden Barfach. Das reichte aber, um die Person zu erkennen, die im Schatten vor dem Fenster saß.
    »Kriminaloberkommissar Bellman«, sagte Harry. »Sie sitzen im Ohrensessel meines Vaters.«
    »Ich war so frei«, sagte Bellman. »Das Sofa roch etwas streng. Selbst der Hund hat einen Bogen darum gemacht.«
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten?« Harry zeigte mit einem Nicken aufs Barfach und nahm auf dem Sofa Platz. »Oder haben Sie sich schon selbst bedient?«
    Harry konnte sehen, dass Bellman den Kopf schüttelte. »Ich nicht, aber der Hund.«
    »Hm. Ich gehe davon aus, dass Sie einen Durchsuchungsbefehl haben, aber ich bin natürlich neugierig, auf welcher Grundlage.«
    »Es ist ein anonymer Hinweis eingegangen, dass Sie über eine dritte, unschuldige Person Drogen ins Land geschmuggelt haben, die Sie möglicherweise hier aufbewahren.«
    »Und, war es so?«
    »Der Drogenhund hat etwas gefunden, einen Klumpen aus einer gelblich braunen Substanz, in Alufolie gewickelt. Sieht nicht aus wie die üblichen Drogen, die wir hierzulande beschlagnahmen, vorläufig ist also noch unklar, worum es sich handelt. Aber wir erwägen, es zu analysieren.«
    »Erwägen?«
    »Das könnte Opium sein, genauso gut aber auch ein Klumpen Plastilin oder Ton. Kommt ganz drauf an.«
    »Worauf?«
    »Auf Sie, Harry. Und mich.«
    »Ah ja?«
    »Wenn Sie sich einverstanden erklären, uns einen Dienst zu erweisen, könnte ich durchaus zu der Auffassung gelangen, dass es sich um Plastilin handelt. Das würde uns eine Analyse ersparen. Ein Manager muss Prioritäten setzen bei der Verteilung der Ressourcen, nicht wahr?«
    »Und Sie sind der Manager? Um was für eine Art Dienst geht es denn?«
    »Sie machen wirklich keine Umwege, Hole, also rede ich Klartext mit Ihnen. Ich möchte, dass Sie die Rolle des Sündenbocks

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