Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
wir an, er ist wie ich, Harry. Davon müssen wir ausgehen, wenn ich dir helfen soll. Zuerst das Motiv. Glühender, brodelnder Hass. Das ist der Stoff, der ihn am Leben erhält, die Magma in seinem Innern, damit nicht alles zu Eis gefriert. Gleichzeitig wird der Druck der inneren Hitze unweigerlich irgendwann zum Ausbruch führen und das Destruktive freisetzen. Je mehr Zeit vergeht, ohne dass es dazu kommt, umso heftiger wird der Ausbruch. In diesem Fall ist der Ausbruch bereits in vollem Gang, und er ist heftig. Was mir sagt, dass du weit in der Vergangenheit nach der Ursache suchen musst. Denn nicht die aus lauter Hass begangene Tat, sondern die Ursache für den Hass ist der Schlüssel zu dem Rätsel. Ohne die Ursache ergeben die Taten keinen Sinn. Der Hass hat viel Zeit gehabt, zu wachsen, aber die Ursache ist ganz simpel. Ein Ereignis. Alles dreht sich um dieses eine Ereignis. Finde heraus, was es war, und du hast deinen Täter.«
    Wie konnte es bloß sein, dass er ausgerechnet Vulkanmetaphern benutzt hatte? Harry fuhr die steile, kurvige Straße vom Krankenhaus Bærum in die Stadt hinunter.
    »Acht Morde. Er ist jetzt der Herrscher, ist ganz oben. Er hat sich ein Universum errichtet, in dem alles auf ihn zu hören scheint. Er ist der Puppenspieler, und er spielt mit euch. Besonders mit dir, Harry. Es ist nicht einfach nachzuvollziehen, wieso er sich ausgerechnet dich ausgesucht hat. Vielleicht ein Zufall. Aber im gleichen Maße, wie er seine Puppen immer mehr tanzen lässt, sucht er auch nach größerer Spannung. Er will mit den Puppen reden, ihnen nah sein, will seine Triumphe dort feiern, wo er sie am meisten genießen kann, zusammen mit denen, über die er triumphiert. Aber er ist gut verkleidet. Er tritt nicht wie ein Puppenspieler auf, gibt sich im Gegenteil eher devot, wie einer, der leicht zu steuern ist, den man unterschätzt, dem man nicht zutraut, Regie in einem derart komplexen Drama zu führen.«
    Harry fuhr auf der E 18 in Richtung Zentrum. Stau. Er wechselte auf die Bus- und Taxispur. Verdammt noch mal, wozu war er Polizist? Und es eilte, eilte sehr. Sein Mund war trocken, die Hunde in wilder Aufruhr.
    »Er ist ganz in deiner Nähe, Harry, davon bin ich überzeugt, der Reiz ist einfach zu groß. Er hat sich aus einem toten Winkel in dein Leben geschlichen, zu einem Zeitpunkt, als du mit deiner Aufmerksamkeit woanders warst. Oder als du schwach warst. Er agiert in seiner gewohnten Umgebung. Ein Nachbar oder Freund, ein Kollege. Oder einer, der einfach da ist, unmittelbar hinter einer anderen Person, die du deutlich siehst, ein Schatten, den du nicht anders wahrnimmst als ein Anhängsel dieses anderen. Denk mal darüber nach, wer durch dein Blickfeld geglitten ist. Denn dort ist er gewesen. Du kennst sein Gesicht bereits. Ihr müsst nicht viele Worte gewechselt haben, aber wenn er wie ich ist, konnte er sich nicht beherrschen, Harry. Er hat dich berührt .«
    Harry parkte vor dem Savoy und ging auf direktem Weg in die Bar.
    »Sie wünschen?«
    Harrys Blick glitt über die Flaschenreihen in den Glasregalen im Rücken des Barkeepers.
    Beefeater, Johnnie Walker, Bristol Cream, Absolute, Jim Beam.
    Er suchte nach einem Mann, der einen glühenden Hass in sich trug. Einem, der keine Gefühle an sich ranließ. Einem mit einem Panzerherzen.
    Sein Blick blieb an einer Flasche hängen. Und wanderte zurück. Sein Mund klappte auf. Es war wie ein göttlicher Wink. Und in diesem Wink lag alles .
    Die Stimme kam von unendlich weit her.
    »Mister? Hallo?«
    »Ja.«
    »Haben Sie was gefunden?«
    »Ja«, sagte er. »Ich habe was gefunden.«

KAPITEL 71
     
    Glücksgefühl
     
    G unnar Hagen hielt einen Bleistift zwischen den Zeigefingern, während er Harry musterte, der ausnahmsweise einmal aufrecht auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch saß – und nicht hing.
    »Technisch gesehen bist du zurzeit dem Kriminalamt unterstellt und gehörst damit zu Bellmans Mannschaft«, sagte der Dezernatsleiter. »Ergo wäre eine von dir vorgenommene Festnahme ein Heimsieg für Bellman.«
    »Und wenn ich – rein hypothetisch – euch informieren würde und jemand vom Morddezernat die Festnahme vornimmt, sagen wir mal Kaja Solness oder Magnus Skarre?«
    »Selbst so ein großzügiges Angebot deinerseits müsste ich abschlagen, Harry. Ich bin, wie gesagt, an Abmachungen gebunden.«
    »Hm. Bellman hat dich weiterhin fest im Griff, was?«
    Hagen seufzte. »Wenn ich mir die Kapriole leisten sollte, Bellman die Festnahme in Norwegens

Weitere Kostenlose Bücher