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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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dauern würde, schloss aber trotzdem die Augen und spürte sein Herz hämmern, dabei war er sich eigentlich sicher. Wie der Schneemann. Er hatte Harry die wenigen Informationen gegeben, die er brauchte, die Worte formuliert, die Schallwellen erzeugt, um die Lawine auszulösen.
    Es musste so sein.
    Es sollte nur ein paar Sekunden dauern.
    Sein Herz hämmerte.
    Bjørn Holm räusperte sich. Sagte aber nichts.
    »Bjørn«, sagte Harry, noch immer mit geschlossenen Augen.
    »Ja, Harry.«
    »Ist das wieder eine der Kunstpausen, die ich deiner Meinung nach auskosten soll?«
    »Ja.«
    »Ist es vorbei, du verdammter Idiot?«
    »Ja. Und wir haben eine Übereinstimmung.«
    Harry schlug die Augen auf. Sonnenlicht strömte in den Raum, füllte ihn, dass sie förmlich darin badeten. Glücksgefühl. Ein irres Glücksgefühl.
    Alle drei standen gleichzeitig auf. Starrten sich mit offenen Mündern an, die stumme Jubelschreie formten. Dann umarmten sie sich in einer linkischen Dreierumarmung mit Bjørn und Harry außen und einer fast plattgedrückten Beate zwischen ihnen. Sie machten mit gedämpften Ausrufen und zurückhaltenden High-fives weiter, und Bjørn Holm rundete das Ganze mit einem in Harrys Augen für einen eingefleischten HankWilliams-Fan weitgehend vollkommenen Moonwalk ab.

KAPITEL 7 2
     
    Boy
     
    D ie beiden Männer standen auf der kleinen Wiese zwischen der Kirche von Manglerud und der Autobahn.
    »Hier hatten wir unseren Erdbong«, sagte der Mann in der MC-Lederjacke und strich sich ein paar lange, dünne Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Im Sommer haben wir hier gelegen und alles geraucht, was wir in die Finger bekamen. Fünfzig Meter von der Polizeistation Manglerud entfernt.« Er grinste schief. »Ich, Ulla, Te-Ve, seine Freundin und ein paar andere. Das waren noch Zeiten.«
    Der Blick des Mannes schweifte ab. Roger Gjendem machte sich Notizen.
    Es war nicht ganz einfach gewesen, Julle zu finden, aber am Ende hatte Roger Gjendem ihn in einem MC-Club in Alnabru aufgespürt, wo er, wie sich zeigte, aß, schlief und sein Leben als freier Mann verbrachte. Er bewegte sich nicht weiter als bis zum Prix-Laden, um Snus und Brot zu kaufen. Gjendem hatte schon öfter erlebt, dass einige Menschen im Gefängnis eine Abhängigkeit von gewohnten Umgebungen, Routinen und ein großes Sicherheitsbedürfnis entwickelten. Erstaunlicherweise war Julle relativ schnell bereit gewesen, mit ihm über die Vergangenheit zu sprechen. Das Schlüsselwort war Bellman gewesen.
    »Ulla war meine Frau, und das war echt der Wahnsinn, denn alle Männer hier in Manglerud waren hinter Ulla her.« Julle nickte, als wollte er sich selbst recht geben. »Aber keiner so krankhaft wie er.«
    »Mikael Bellman?«
    Julle schüttelte den Kopf. »Der andere. Sein Schatten. Beavis.«
    »Was ist passiert?«
    Julle breitete die Arme aus. Roger hatte die Schorfstellen längst bemerkt. Ein Gefängniszugvogel im Pendelverkehr zwischen Drogen in der Freiheit und Drogen hinter Gefängnismauern. »Ich verbüßte eine Bewährungsstrafe wegen kleinerer Haschdealereien, als Mikael Bellman mich wegen Benzindiebstahls angeschwärzt hat. Da war die Bewährung natürlich weg, und ich musste in den Knast. Selbstverständlich sind die Gerüchte zu mir durchgedrungen, dass Bellman und Ulla zusammen gesehen worden waren. Egal, als ich wieder rauskam und Ulla abholen wollte, erwartete mich schon dieser Beavis. Der hat mich fast totgeschlagen. Behauptete, Ulla gehöre ihm. Und Mikael. Jedenfalls nicht mir. Und wenn ich mich noch einmal in ihrer Nähe blicken ließe …« Julle zog den Zeigefinger über den mageren Hals mit den grauen Bartstoppeln. »Echt krank. Und verdammt unheimlich. Keiner in meiner Clique hat mir geglaubt, als ich ihnen erzählt hab, dass dieser Beavis-Verschnitt mir fast die Lampe ausgeknipst hätte. Dieser sabbernde Idiot, der Bellman überallhin hinterhertrottet.«
    »Sie sagten was von einer Partie Heroin«, sagte Roger. Wenn er Leute in Drogenangelegenheiten interviewte, achtete er immer darauf, präzise Ausdrücke zu wählen, die nicht zu Missverständnissen führten, da die Modebezeichnungen sich schnell änderten und an verschiedenen Orten Unterschiedliches bedeuten konnten. In Hovseter war »Smack« zum Beispiel Kokain, in Hellerud Heroin und in Abildsø alles, was high machte.
    »Ich, Ulla, Te-Ve und seine Freundin hatten in dem Sommer, als ich eingebuchtet wurde, eine Motorradtour durch Europa gemacht. Aus Kopenhagen hatten wir ein halbes Kilo boy

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