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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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sagte Holm. »Es gibt keinerlei Markierungen. Und es sieht wie keines der Seile aus, die ich kenne. Die Fasern sind ausschließlich organisch, ohne Nylon oder andere Kunststoffbestandteile.«
    »Hanf?«, sagte Harry.
    »Was?«
    »Hanf. Seile und Haschisch werden aus dem gleichen Stoff gemacht. Hast du Lust auf einen Rausch, musst du nur runter zum Hafen gehen und die Vertäuungstrosse der Dänemarkfähre abfackeln.«
    »Kein Hanf«, sagte Bjørn Holm in Kajas Lachen hinein. »Die Fasern stammen von Ulmen und Linden. Vorwiegend Ulme.«
    »Gutes altes norwegisches Handwerk«, sagte Kaja. »So haben sie früher auf dem Land ihre Stricke gemacht.«
    »Auf dem Land?«, fragte Harry.
    Kaja nickte. »Jedes Dorf hatte in der Regel mindestens einen Seiler. Du musst das Holz einen Monat lang wässern und dann die Rinde ablösen. Man nutzt den Bast darunter und dreht ihn für die Seile zusammen.«
    Harry und Bjørn wandten sich Kaja zu.
    »Was ist?«, fragte sie verunsichert.
    »Nun«, sagte Harry. »Gehört das zur Allgemeinbildung?«
    »Ach so«, sagte Kaja. »Mein Großvater hat Seile gemacht.«
    »Aha. Und dafür braucht man Ulmen und Linden?«
    »Eigentlich kann man alle möglichen Bastfasern nehmen. Von ganz unterschiedlichen Baumarten.«
    »Und das Mischungsverhältnis?«
    Kaja zuckte mit den Schultern. »Ich bin keine Spezialistin, aber ich glaube, es ist eher ungewöhnlich, Bast von verschiedenen Baumarten in einem Seil zu verwenden. Ich meine mich daran zu erinnern, dass Even, mein großer Bruder, mal gesagt hat, Großvater habe nur Linde genommen, weil die Fasern am wenigsten Wasser aufnehmen. So brauchte er seine Seile nicht zu teeren.«
    »Hm. Was glaubst du, Bjørn?«
    »Wenn solche gemischten Taue selten sind, wird es natürlich leichter, den Produktionsort ausfindig zu machen.«
    Harry stand auf und begann auf und ab zu gehen. Bei jedem Schritt gaben seine Gummisohlen auf dem Linoleum ein lautes Seufzen von sich. »Dann können wir von einer begrenzten Produktion und räumlich begrenztem Verkauf ausgehen. Hört sich das für dich plausibel an, Kaja?«
    »Ich denke, ja.«
    »Und wir können wohl auch davon ausgehen, dass Produktionsstätte und Verwendungsort dicht beieinanderlagen. Diese regional hergestellten Taue sind bestimmt nicht in alle Welt verkauft worden.«
    »Hört sich noch immer plausibel an, aber …«
    »Warum nehmen wir das dann nicht als unseren ersten Ansatzpunkt? Ihr beginnt damit, die örtlichen Seilerwerkstätten in der Nähe der Seen Lyseren und Øyeren zu kartieren.«
    »Aber heute macht niemand mehr solche Seile«, protestierte Kaja.
    »Tut, was ihr könnt«, sagte Harry, blickte auf die Uhr, nahm seinen Mantel von der Stuhllehne und ging zur Tür. »Findet heraus, wo das Tau hergestellt worden ist. Ich kann doch davon ausgehen, dass Bellman nichts von diesen Jütlandmuscheln weiß, oder, Bjørn?«
    Bjørn Holm rang sich als Antwort ein Lächeln ab.
    »Ist es für euch okay, wenn ich noch ein bisschen an meiner Theorie des Sexualmordes festhalte?«, fragte Kaja. »Ich kenne jemanden bei der Sitte, mit dem ich sprechen könnte.«
    »Negativ«, sagte Harry. »Das Gebot der Schweigepflicht über unsere Tätigkeit gilt besonders im Umgang mit unseren werten Kollegen im Präsidium. Wir haben irgendwo einen Maulwurf im Haus, der das Kriminalamt informiert, so dass wir einzig und allein mit Gunnar Hagen reden dürfen.«
    Kaja hatte den Mund geöffnet, aber ein Blick von Bjørn reichte, damit sie ihn wieder schloss.
    »Du kannst aber noch etwas anderes tun«, sagte Harry. »Treib einen Vulkanexperten auf und schick ihm die Analyseresultate dieser kleinen Steinchen.«
    Bjørns Augenbrauen hoben sich ein gutes Stück in Richtung Stirn.
    »Poröses, schwarzes Gestein, basaltig«, sagte Harry. »Ich tippe auf Lava, gegen vier bin ich aus Bergen zurück.«
    »Grüß das Präsidium in Bergen«, rief Bjørn und hob seine Tasse.
    »Ich gehe nicht ins Präsidium«, sagte Harry.
    »Oh, wohin dann?«
    »Sandviken-Klinik.«
    »Sand…«
    Die Tür fiel hinter Harry ins Schloss. Kaja sah Bjørn an, der mit entgeistertem Blick Harry hinterherstarrte.
    »Was will er dort?«, fragte sie. »Geht er zu einem Rechtsmediziner?«
    Bjørn schüttelte den Kopf. »Die Sandviken-Klinik ist eine Nervenheilanstalt.«
    »Ach ja? Vielleicht trifft er da einen Psychologen, der Erfahrung mit Serienmördern hat?«
    »Ich wusste es, ich hätte nein sagen sollen«, flüsterte Bjørn und starrte unentwegt die Tür an. »Er ist

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