Leopardenblut (German Edition)
„Das heißt, du verfügst über immense Kräfte.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe nur das Potenzial für immense Kräfte. Kardinale erreichen alle über zehn Punkte in ihrem Spezialgebiet – noch nie hat jemand weniger bei ihnen gemessen. Allerdings erkennt man Kardinalmediale auch ohne Messungen.“ Ihre Augen hatten sie schon bei ihrer Geburt verraten.
„Doch in meinem Fall hat sich dieses Potenzial nie entwickelt.“ Sie zuckte mit den Schultern und versuchte zu verbergen, wie viel ihr das ausmachte. „Meiner Mutter zufolge hätte mich das nicht daran hindern sollen, in den Rat aufzusteigen, aber ich glaube, sie wollte mich irgendwie dabei unterstützen.“ Mit eiskalt geplanten Morden wahrscheinlich. „Irgendwann hat sie aufgehört davon zu reden. Wir wussten beide, dass ich nicht die Kraft hätte, auf dieser Ebene zu überleben.“
Tamsyn erhob sich und ging auf dem Teppich hin und her. Ihr Mann sah ihr amüsiert zu. „Ich bin keine Mediale, Sascha, aber ich fühle deine Kraft ebenso wie ich die von Lucas spüre.“
Sascha legte den Kopf schräg. „Ich weiß nich t … “
„Die Medialen denken, wir könnten sie nicht durchschauen , aber einige von uns sind dazu in der Lage.“ Tamsyn ließ die Bombe mit einem katzenhaften Lächeln hochgehen. „Du kannst Lucas fragen.“
Sie sah auf seinem Gesicht das gleiche Lächeln. „Erzähl schon!“
„Immer diese Forderungen“, knurrte er, aber seine Augen lachten. „Ich spüre es jedes Mal, wenn du mediale Energie benutzt. Und ich kann auch die Stärke spüren. Bei dir ist es niemals nur drei, Kätzchen.“
„Unmöglich.“ Sie sah ihn finster an. „Du musst dich irren. Seit wir uns kennen, habe ich kaum mediale Energie angewandt. Alles war auf einer sehr niedrigen Energieebene, auch als ich dich telekinetisch weggeschubst habe.“
Er beugte sich vor und schnappte nach ihrer Unterlippe. „Das war für das Schubsen.“
Sie verzog das Gesicht. „Pass ja auf oder ich wende etwas Transmutationsenergie an – ich könnte immerhin deine Haare grün färben.“ Sie bluffte nur, aber sie wollte sehen, wie Lucas die Augen zusammenkniff, während er darüber nachdachte, ob sie es ernst meinte.
„Du verfügst eindeutig über große Kräfte“, unterbrach Tamsyn die beiden. „Vielleicht bist du genau wie deine Urgroßmutter eine E-Mediale. Vielleicht haben sie dich nur als gewöhnlich eingestuft und dir eingebläut, du hättest keine nennenswerten Fähigkeiten, weil E-Mediale nicht mehr erlaubt sind. Wenn man jemandem nur oft genug eine Lüge erzählt, glaubt er schließlich daran, selbst wenn er sich dadurch selbst einschränkt.“
Sascha machte große Augen. „Bei meiner Ausbildung als Kind haben mir die Lehrer immer gesagt, es sei unglaublich schade, dass mein großes Potenzial sich nicht entwickeln würde.“
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als Lucas plötzlich aufsprang.
„Wa s … ?“ Er stellte sie auf den Boden.
„ Still !“ Nates Kopf zuckte in Richtung Vorgarten.
Lucas’ Körper barst fast vor lautloser Anspannung. „Wo sind Vaughn und Clay?“
„Hinten.“ Nate stellte sich neben Lucas. „Tammy, bring Sascha hier raus.“
„Ich bleibe. Es ist auch mein Kampf.“
Grüne Blitze schossen aus Lucas’ Augen. „Ist es nicht. Draußen sind SnowDancer-Wölfe. Tammy !“
Die Heilerin ging zu Sascha und nahm ihren Arm. „Komm schon. Lucas kann sich nicht konzentrieren, wenn du in der Nähe bist.“ Ihr Flüstern war kaum zu verstehen.
Tamsyn hatte recht, Sascha konnte den wütenden Beschützerinstinkt in ihm spüren. Sie wollte ihn nicht in Gefahr bringen und folgte der Heilerin enttäuscht zu den fensterlosen Schlafzimmern im oberen Stockwerk.
In der Diele trafen sie Dorian, der von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war. Er legte den Finger auf die Lippen und bedeutete ihnen mit einem Kopfnicken weiterzugehen. Sascha erstarrte, als sie den tödlichen Zorn in ihm spürte, der jeden treffen würde, der sich ihm in den Weg stellte.
„Komm weiter.“ Tamsyn zog sie weiter.
Dorian scheuchte sie mit finsterem Blick fort. Sascha zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie konnte den tiefen Zorn des Wächters nicht heilen, wenn er selbst ihn immer weiter fütterte.
Sobald sie hinter der festen Holztür des Schlafzimmers standen, wandte sie sich an Tamsyn. „Wie kannst du das aushalten? Hier in Sicherheit zu sein, während sie sich in Gefahr befinden?“
„Ich bin die Heilerin. Ich darf nicht sterben.
Weitere Kostenlose Bücher