Leopardenblut (German Edition)
Hunger überkommt?“ Das war rabenschwarzer Gestaltwandlerhumor.
Kit grinste. „Lecker, ich liebe Hirschgeschnetzeltes.“
Sascha sah ihn an wie einen Käfer unter einem Mikroskop. Man musste es dem Jungen hoch anrechnen, dass er nicht anfing zu zappeln und sogar sein Lächeln noch einmal ausprobierte. Als Antwort schloss Sascha für drei Sekunden die Augen. Dann sah sie Zara wieder an und sagte: „Ich habe die Befugnis, die Pläne anzunehmen oder abzulehnen. Zeigen Sie mir, welche Ihrer Meinung nach am meisten Erfolg versprechen.“
Bevor Zara antworten konnte, stellte Sascha noch eine Frage: „Wie wahrscheinlich ist ein friedliches Nebeneinander von Wölfen und Leoparden? Ich möchte kein Geld für spezielle Wohnungen ausgeben, wenn Wölfe dann doch nicht neben Leoparden wohnen wollen und umgekehrt.“
Ihre Frage war extrem ungewöhnlich. Lucas würde diese hochgewachsene Mediale, die so erstaunlich gestaltwandlerisch dachte, von nun an sehr genau beobachten müssen. „Wir haben einen Waffenstillstand geschlossen, der uns in die Lage versetzt, ohne großes Blutvergießen zusammenzuleben. Die meisten Bewohner werden Leoparden sein, aber es werden auch so viele Wölfe einziehen, dass es sich lohnt, sie in die Planung einzubeziehen. Für beide Gattungen gibt es im Moment zu wenig Wohnraum.“
Der Grund dafür lag darin, dass die meisten Bauunternehmen im Besitz von Medialen waren und diese die Särge bauten, von denen Kit gesprochen hatt e – kleine, kompakte Wohneinheiten, die kein selbstbewusstes Raubtier haben wollte. Die Familie Duncan hatte als Erste begriffen, wie notwendig es war, die Gestaltwandler schon in die erste Planungsphase einzubeziehen. Wenn man die Jäger, die Raubtiere, anlocken wollte, musste man wie sie denken.
Zara ergriff das Wort: „Das ist mein Lieblingsentwurf für die Katzen und hier ist der für die Wölfe.“ Sie legte zwei ziemlich rohe Entwürfe auf den Tisch. „Davon ausgehend werde ich jeweils den Boden, die Aussicht und die möglichen Eingänge und Zufahrten berücksichtigen. Für ein paar Häuser werde ich von Anfang an die Persönlichkeit des Käufers einbeziehen.“
Sascha sah sich die Entwürfe an. „Um das zu tun, müssten Sie die Käufer kennen.“
„Nun, wir haben bereits eine Warteliste. Das Geld liegt schon auf einem Treuhandkonto.“ Lucas sah Funken in Saschas Augen aufblitzen, als sie hochblickte. Überraschung, Baby, dachte er.
„Wie bitte?“
„Es ist das erste Bauvorhaben, das von Gestaltwandlern geplant und gebaut wird.“ Er zuckte mit den Schultern und war sich bewusst, dass dabei das Spiel seiner Muskeln unter dem T-Shir t zu sehen war. Wie jede Katze wurde er gerne bewundert, aber diesmal war es auch der Versuch, eine Reaktion aus Sascha herauszukitzeln.
Sie sah weg. „Sie wussten also schon, dass Sie Ihren Teil der Abmachung halten konnten, als Sie den Bonus aushandelten.“
„Selbstverständlich.“
„Dann muss ich mich wohl geschlagen geben.“ Doch in ihrem Blick lag alles andere als sanfte Zustimmung.
Zum Glück hatte er leichte Beute noch nie gemocht.
5
Sascha schaute kurz in ihrer Wohnung im Duncan-Gebäude vorbei, bevor sie zum Büro ihrer Mutter ging. Gleich nach ihrem Aufbruch bei den DarkRiver-Leoparden hatte sie damit begonnen, die Risse in ihrer inneren Abwehr zu kitten, und als sie das Büro betrat, war ihr Herz hinter so vielen Schichten verborgen, dass die traute Zweisamkeit, in der sie Nikita mit Santano Enrique antraf, keinerlei Regung in ihr auslöste.
„Komm rein, Sascha.“ Nikita sah von ihrem Computerbildschirm hoch, auf dem sie Enrique gerade etwas zeigte.
„Hallo, Sascha! Wir haben uns lange nicht gesehen.“
„Ratsherr Enrique.“ Sascha neigte respektvoll den Kopf. Nachtschwarze Augen blickten sie an.
Der Kardinalmediale trug zwar einen lateinamerikanischen Namen, war aber groß und blond und hatte eine fast zu bleiche Hautfarbe. Seine sechzig Jahre sah man ihm nicht an, doch Sascha wusste nur zu gut, wie viel Zeit er gehabt hatte, um an seinen bemerkenswerten Kräften zu feilen.
„Nikita hat mir erzählt, dass du ein eigenes Projekt hast.“
„Ja, Sir.“ Sascha war nicht überrascht, dass Nikita das andere Ratsmitglied eingeweiht hatte. Enrique war Akademiker und kein geschäftlicher Konkurrent. Das hieß nicht, dass er weniger tödlich war. Keinem der Ratsmitglieder sollte man jemals den Rücken zukehren.
In Enriques Gegenwart hatte sie sich schon immer unwohl gefühlt. Vielleicht weil er als
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