Leopardenblut (German Edition)
„Sind Sie als Kinder immer Tiere?“
„Nein.“ Er setzte auf Tamsyns langer Auffahrt langsam zurück und bog dann in die Straße ein, glitt weich und schnell auf der Luft dahin. „Ungefähr ein Jahr nach der Geburt entwickeln wir die Fähigkeit, die Gestalt zu wechseln. Es ist für uns genauso einfach wie das Atmen.“
Sie schwieg eine Weile, als ob sie darüber nachdenken müsste. „Was ist mit der Kleidung? Was geschieht damit, wenn sie sich verwandeln?“
„Sie löst sich auf. Wir ziehen es vor, uns nackt zu verwandeln.“ Der Energiepegel in der Luft stieg deutlich a n – Sascha Duncan reagierte offenbar, wenn sie an seinen nackten Körper dachte.
Beiden Seiten in ihm gefiel der Gedanke, dass er diese faszinierende Frau auf einer sinnlichen Ebene ansprach, aber als Rudelführer musste er auch die Folgen dieser Entdeckung im Auge behalte n … Er musste überlegen, wie man das gegen sie verwenden konnte.
„Welch e … Rolle hat Tamsyn im Rudel?“, fragte Sascha. Durch den plötzlichen Themenwechsel fühlte er sich in seiner Vermutung bestätigt. „Ich weiß, dass es eine Rangordnung gibt.“
„Genau wie bei den Medialen. Zeig mir deine, dann zeig ich dir meine.“ Wenn sie bei dieser einfachen Nachfrage dichtmachte, würde er seine Strategie überdenken müssen. Um Zugang zum Medialnet zu bekommen, musste er in den Kopf eines Medialen gelangen. Es gab keinen anderen Weg, einen Mörder zu finden, den der Rat versteckte.
„Oberstes Führungsgremium ist der Rat.“
Er versuchte, weiter ruhig zu atmen. „Bei uns gibt es keine oberste Führung. Jedes Rudel ist autonom.“
„Innerhalb dieser Strukturen sind wir in Familien organisiert.“
Das hatten sie bislang nur vermutet, denn für Außenstehende unterschied sich das Familienkonzept der Medialen nicht von ihren anderen Geschäftsbeziehungen. „Im Rudel haben wir auch Familienbande, aber unsere Loyalität gilt zuallererst dem Rudel.“
„Was ist mit den Paarbeziehungen?“, fragte sie und zeigte damit ein überraschendes Einfühlungsvermögen in die Denkweise der Gestaltwandler. „Sicher gilt ihre Loyalität doch in erster Linie dem Partner.“
„Das ist die einzige Ausnahme. Gestaltwandlerleoparden paaren sich fürs ganze Leben, es gibt keine andere Möglichkeit .“ Wie würde eine Frau darüber denken, die ihr Leben nicht der Leidenschaft, sondern der Wissenschaft zu verdanken hatte? „Wie ist es bei den Medialen? Wem gilt ihre Loyalität?“
„Unserem Volk“, sagte sie. „Wir dürfen zwar mit anderen Familien geschäftlich konkurrieren, aber nur innerhalb unserer Welt. Nach außen stehen wir loyal zum Volk.“
„Um das Weiterleben der Rasse zu gewährleisten.“
„Ja.“ Sie setzte sich anders hin und stellte ihm noch eine unerwartete Frage. „Eine lebenslange Verbindung? Ist das so etwas wie die Heirat bei den Menschen?“
„Gestaltwandler und Menschen können tatsächlich eine Verbindung eingehen. Einige aus meinem Rudel leben mit Menschen zusammen.“ Die Kinder dieser Paare erbten immer die Fähigkeit, ihre Gestalt zu verwandeln.
„Ich habe gehört, dass es früher auch Verbindungen zwischen Gestaltwandlern und Medialen gegeben hat.“
„Meine Ururgroßmutter war eine Mediale.“ Er sah sie an. „Glauben Sie, ich hätte einen guten Medialen abgegeben?“
Sie betrachtete ihn einen Augenblick und sagte dann: „Vielleicht sollten Sie besser auf die Straße achten.“ Kalt, nüchtern und ohne jedes Gefühl. Abgesehen von der Tatsache, dass kleine Leopardenzähne an ihrer Stiefelspitze gekaut hatten.
Dieses eine Mal würde er ihr gehorchen. „Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Nein, man hat nicht die Wahl wie bei einer Heira t – jedenfalls nicht als Leopard. Wenn wir einmal unseren Lebenspartner gefunden haben, bleibt uns nur noch die Entscheidung darüber, ob wir den endgültigen Schritt tun oder nicht. Danach gibt es kein Zurück mehr.“
„Wie sieht dieser endgültige Schritt aus?“
„Wie sieht das Medialnet aus?“
Sie zögerte. „Das ist geheim.“
„Das ist privat.“
„Wie finden Sie Ihre Partner? Woher wissen Sie, dass er oder sie es wirklich ist?“ Sie klang vollkommen neutral, aber aus ihrer Frage sprach sehr viel Neugier.
Ob sie wohl in allen Bereichen so wissbegierig war? Eine neugierige Geliebte war höchst reizvoll für sein Pantherherz. „Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich habe meine Frau noch nicht gefunden.“ Er hatte gesehen, wie der Tod seiner Mutter seinem Vater das
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