Leopardenblut (German Edition)
damit, dass er sich um uns kümmert, dass er bereit ist, für uns zu sterben.“
Sascha nickte und fühlte sich immer schlechter.
„Und außerhalb des Rudels? Soweit ich weiß, küsst Lucas da nur Frauen, mit denen er ins Bett will.“ Die Tür schloss sich hinter der grinsenden Heilerin.
Saschas Wangen brannten. Lucas wollte mit ihr schlafen. Sie fühlte die Erregung aufsteigen, obwohl sie sich geschworen hatte, er würde sie nicht bekommen. Die Wirklichkeit verwob sich mit ihren Träumen und sie dachte sowohl an den Kuss im Wald als auch an die intimeren Küsse in ihren Träumen.
Das prosaische Geräusch eines näher kommenden Fahrzeugs brachte sie wieder in die Realität zurück und erinnerte sie an ihr Vorhaben. Sie atmete tief ein, setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden und stieg mit einer so fordernden geistigen Übung ein, dass alles andere aus ihrem Kopf verschwand. Dann war sie bereit, ins Medialnet zu gehen.
Die Welt öffnete sich.
Vor ihr lag eine unendliche, sternenübersäte Ebene. Jeder Stern war ein Gehirn, manche strahlten schwächer, manche stärker. Da sie am Eingang war, stand sie in der Mitte des Universums. Das Medialnet erstreckte sich über die ganze Welt, dennoch reichte ein bloßer Gedanke, um ein bestimmtes Gehirn zu finden und es in Sichtweite erscheinen zu lassen, ungefähr so wie bei einen Link im Internet der Menschen und Gestaltwandler. Genau wie dort brauchte sie aber einen Anhaltspunkt, sie musste wissen, wie das Gehirn aussah, wie es sich anfühlte.
Dort sah sie den glänzenden Stern ihrer Mutter – ein kaltes, reines Licht. Auf der anderen Seite funkelten ein paar Mediale, die im Duncan-Imperium arbeiteten. Aber heute wollte sie mit keinem von ihnen sprechen. Ihr Interesse galt den dunklen Räumen zwischen den Sternen, in denen die Informationen flossen, die der Netkopf dann ordnete.
Sascha ließ ihr Bewusstsein frei schwingen und nahm die Daten auf, als würde sie sich nur die neuesten Nachrichten holen. Der Netkopf zog an ihr vorbei, weder tot noch lebendig, aber in einer Weise empfindungsfähig, die die Welt vor ihm noch nicht gekannt hatte. Obwohl er noch nicht alt war, hatte er doch ein unermesslich großes Archiv zur Verfügung.
Im endlosen Datenstrom konnte man sich leicht verlieren, aber trotz ihres scheinbar ziellosen Auftretens wählte Sascha sehr genau aus und ihre Sinne waren auf feinste Schwingungen eingestellt. Schließlich ging es um Mor d … und um die größte Lüge, die je eine Rasse den eigenen Leuten aufgetischt hatte.
Als Lucas kurz nach fünf zurückkehrte, standen Sascha und Tamsyn im Garten.
„Was ist mit den Jugendlichen?“, fragte die Heilerin, sobald er in Rufweite war.
Sascha sah mit angespanntem Gesicht hoch. „Geht es ihnen gut?“
„Sie waren schon auf dem Rückweg, als ich sie erwischte.“
„Haben sie den Ruf gehört?“ Tamsyn war offensichtlich erleichtert.
Lucas sah, wie Sascha die Stirn runzelte, als ihr aufging, dass die Frage eine versteckte Mitteilung enthielt. Aber das war nun mal nicht zu verhindern. Ihr entging kaum etwas, sie war einfach zu klug. „Eine SnowDancer-Patrouille hat sie angehalten und ihnen gesagt, sie sollten sich nach Hause verpissen.“
„Sind deine Gefährten verletzt worden?“
Er schüttelte den Kopf. „Sie haben die Jungen wie kleine Wölfe behandelt.“ Das war ungewöhnlich. Als sie sich auf einen Waffenstillstand einigten, hatte Hawke zwar die Parole ausgegeben, die Leoparden seien Verbündete, aber das Verhalten der Soldaten und die Tatsache, dass sie ohne Schwierigkeiten passieren konnten, war noch einmal etwas völlig anderes. Lucas hatte schon lange genug die Führung im Rudel, um die darin enthaltene Botschaft zu verstehen, aber bevor er auf das Angebot einging, musste er erst darüber nachdenken. „Zur Dämmerung werden sie wieder zu Hause sein.“
Tammy lächelte. „Dann lass ich euch zum Reden mal allein.“
Lucas hatte erwartet, dass Sascha Fragen stellen würde, aber sie schüttelte den Kopf. „Du darfst mir nicht vertrauen.“ Sie rieb sich die Augen. „Mein Verstand ist angreifbar, wenn ich mit dem Medialnet verbunden bin.“
Er hatte offensichtlich mehr Zutrauen zu ihren Fähigkeiten als sie selbst. „Was hast du herausgefunden?“ Über die Verbindung zum Medialnet konnten sie sich ein anderes Mal unterhalten.
„Nichts.“ Sie klang müde.
Er trat näher und strich mit den Fingerknöcheln über ihre Wange. „Du bist erschöpft.“
Sie entzog sich nicht.
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