Leopardenblut (German Edition)
Aufmerksamkeit wieder Rina zu. „Was ist los?“
„Kit ist verschwunden.“
13
„Was?“
Der Mörder hatte sich bisher noch nie an einem Mann vergriffen.
„Nein, nicht, was du denkst“, wiegelte Rina ab. „Er ist nur mit anderen Jugendlichen zu einer Spritztour nach Big Sur aufgebrochen und ich kann sie nicht erreichen. Ich vermute, Nico und Sarah sind mit ihm losgezogen.“
„Wann sind sie gefahren?“ Am frühen Morgen waren nicht genehmigte Ausflüge verboten worden.
„Vorher“, sagte Rina und sah Sascha an.
Normalerweise hätte die Abwesenheit der drei Jugendlichen keinen gekümmert. Heranwachsende waren nun einmal wild, doch Lucas vermutete, dass der plötzliche Ausflug von Kit eine Reaktion auf Dorians Zusammenbruch war. Kit hatte den nicht voll entwickelten Wächter wie einen Helden verehrt.
„Ich werde nach ihm suchen.“ Die SnowDancer-Wölfe, die diese Gegend überwachten, waren in der Regel vernünftig, aber wer konnte das in diesen Zeiten schon wissen.
„Danke, Lucas.“
„Ich mache mich mit Rina zusammen auf den Weg, Tamsyn.“ Lucas stand auf und sah Sascha an. „Bleibst du hier?“ Er war immer noch nicht von der Ungefährlichkeit ihres Vorhabens überzeugt, aber Rina hatte ihn daran erinnert, dass es um mehr ging als um sein Bedürfnis, Sascha zu schützen. Was es nicht leichter machte, sie zu verlassen. Allmählich gestand er sich ein, welchen Platz sie in seinem Leben einnahm, trotz der Schranken, die er an jenem Tag errichtet hatte, an dem er alles verloren hatte.
„Ja“, sagte sie. Ihre nachtschwarzen Augen blinzelten nicht, aber sie vermied es, Rina anzuschauen.
Trotz der düsteren Lage entlockte ihm das fast ein Lächeln. „Wenn ich vor sechs zurück bin, komme ich her. Sonst hinterlässt du bei Tammy eine Nachricht.“
„In Ordnung. Ich hoffe, ihr findet Kit und die anderen.“
„Werden wir.“ Sie hatten schon eine Jugendliche verloren. Das war mehr als genug.
Sascha stand im Gästezimmer und versuchte sich zu konzentrieren, hatte aber immer wieder das Bild von Lucas und Rina vor Augen. Jedes Molekül dieser Frau hatte eine schwere, berauschende und fast greifbare Sinnlichkeit ausgestrahlt. Sie wäre fast davon überschwemmt worden, obwohl sie den beiden nur gegenüber gesessen hatte.
Dann hatten sie sich geküsst und sie war erneut erschüttert gewesen. Sie hatte Zuneigung zwischen den beiden gespürt. Keine Leidenschaft, kein Verlangen, keine Sehnsucht. Ihr Verstand wehrte sich gegen den Gedanken, Lucas’ Kuss könnte in Rina eine sexuelle Glut entfacht haben.
Ein Klopfen schreckte sie aus ihren Gedanken auf und sie schnappte nach Luft. „Ja, bitte.“
Tamsyn stand lächelnd im Türrahmen. „Ich habe Ihnen eine Tasse heiße Schokolade gebracht. Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie es einfach.“ Sie stellte den Becher auf den Nachttisch. „Ab jetzt lasse ich Sie in Frieden.“
„Tamsyn?“
„Ja?“ Sie hielt die Klinke in der Hand.
„Könnten Sie mir vielleicht etwas erklären?“ Sascha konnte schließlich nicht Lucas fragen. Es hätte zu viel von dem verraten, was sie selbst noch nicht wahrhaben wollte. Aber Tamsyn hatte gesagt, sie sei Heilerin. Vielleicht bewahrte sie dann auch Stillschweigen über ihr Gespräch.
„Geht es um den Kuss?“ Tamsyn hob eine Augenbraue.
Sascha glaubte, ihre Überraschung gut verborgen zu haben. „Ja.“
„Das war dasselbe wie damals, als Sie das erste Mal hier waren und er mich geküsst hat. Lucas ist das Alphatier und mit seinem Kuss festigt er die Bindung zum Rudel. Bei den Frauen zeigt er seine Zuneigung offener.“ Sie rollte mit den Augen. „Sie sind alle chauvinistische Schweine, aber wir lieben sie trotzdem. Na egal, wie schon gesagt, der Kuss war nichts Sexuelles. Es ging u m … Verbundenheit.“
„Und die Männer?“, fragte Sascha, in der langsam so etwas wie Verständnis aufkeimte.
„Sie gehen nachts zusammen auf die Jagd, kämpfen miteinander, um ihre Kräfte zu messen, manchmal spielen sie auch Poker oder sehen sich zusammen ein Spiel an. Es funktioniert.“ Sie zuckte mit den Schultern, als stände sie vor einem Rätsel.
„Also ist ein Kuss nichts Besonderes für Lucas?“ Ihre Dummheit, was diesen Mann anging, war eine schmerzliche Überraschung. Er hatte schließlich gesagt, es sei ein Experiment. Vielleicht wollte er einfach ausprobieren, wie es war, einen „Betonklotz“ zu küssen.
Tamsyn legte den Kopf schräg und sah Sascha forschend an. „Im Rudel schon, denn er sagt uns
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